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Ein Traum? Ein Albtraum!

Bregenz

Ein Traum? Ein Albtraum!

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    Ein Traum? Ein Albtraum!
    Ein Traum? Ein Albtraum! Foto: arno declair

    Der Himmel hängt voller Elend. Und dies drückt auf die Köpfe der Menschen, die wie irre vor sich hin stammeln, die Wände vollkritzeln und sich mit Lehm beschmieren. In milchige Plastikfolie gehüllt sind zunächst sechs, etwa vier Meter große Puppen. Als grau-schwarze, ausgemergelte Gestalten werden sie bald die Bühne des Bregenzer Kornmarkttheaters füllen. Und ihre riesigen, kahlen Schädel, ihr Gerippe und ihre düsteren Augen werden sich in die Köpfe der Zuschauer einbrennen. Mit einer verstörenden Inszenierung wartete das Deutsche Theater Berlin in Bregenz auf und zeigte als Österreich-Premiere und an zwei weiteren Abenden "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad.

    Francis Ford Coppola hatte aus Conrads Erzählung Ende der 70er Jahre einen Anti-Kriegsfilm gemacht ("Apokalypse Now"). Das Deutsche Theater bescherte dem Publikum einen beklemmenden Theaterabend, der einem Traum, besser noch einem Albtraum glich.

    "Jeder Mensch hat seinen Zerreißpunkt. Die meisten von uns kennen ihn nicht und werden ihn nie kennenlernen. Aber die Wildnis kennt ihn", lässt Conrad seinen Helden, Kapitän Marlow, sagen. Im Auftrag einer belgischen Handelsgesellschaft fährt er 1890 mit einem Dampfschiff den Kongo hinauf, um den abtrünnigen Agenten und Elfenbeinjäger Kurtz (eindringlich: Markwart Müller-Elmau) zur Raison zu bringen. Bei der Reise verschwimmen die Grenzen zwischen Zivilisation und Wildnis, Menschlichkeit und Bestialität. Die Kritik an der Ausbeutung der schwarzen Bevölkerung durch eine weiße Minderheit ist allgegenwärtig.

    Der Text birgt Tücken

    John von Düffel, der Thomas Manns "Buddenbrooks"-Roman souverän für die Bühne bearbeitet hatte - eine Inszenierung des Wiener Theaters in der Josefstadt war 2008 in Bregenz zu sehen - setzt auf die Kraft des monologisch erzählten Textes. Doch dies hat seine Tücken, wie die Berliner Inszenierung von Andreas Kriegenburg auch zeigt.

    Marlow ist zunächst eine Frau (ausdrucksstark im Leisen wie im Lauten: Natali Seelig). Die zusehende Verwirrung des Kapitäns spiegelt sich in dessen Aufspaltung in fünf weiteren Darstellern wider. Mitunter spielen alle sechs im Chor einen Marlow. Stets kämpfen sie mit dem Erzähltext, der oft litaneihaft, in atemlosem Tempo gesprochen, geschrien und geflüstert wird. Trotz expressiv-virtuosen Spiels bleibt dabei vieles unverständlich und vage.

    Dagegen hält das Bühnenbild von Johanna Pfau: Neben den gigantischen, furchteinflößenden Puppen simuliert sie an der Rampe die Schiffstakelage mittels bühnenhoher Leitern. Und das Trommeln und Blasen auf Bambusrohren, Zerknüllen von Plastiktüten an Mikrofonen machen Wildnis und Urwald hörbar. Lang anhaltenden Applaus gibt es am Ende für die starke Ensembleleistung. Auch in den nächsten Jahren werde das Deutsche Theater nach Bregenz kommen, kündigte Festspiel-Intendant David Pountney bei der Premierenfeier an.

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