Tanzen ist Leidenschaft. Tanzen ist gesund. Tanzen ist Turnier-Sport. Bei Jugendlichen ist Tanzen spätestens seit der RTL-Promi-Show 'Let‘s Dance' wieder gefragt. Ältere Jahrgänge haben die gesundheitsfördernde Wirkung längst erkannt. Denn vor allem für das Herzkreislaufsystem ist die Bewegung im Takt förderlich, da der Puls über einen langen Zeitraum erhöht bleibt, zudem wird die Koordination verbessert. In der Serie 'Im Takt' stellt die AZ mit Tanzlehrern aus Kempten verschiedene Tänze vor. Der erste Teil dreht sich um den Wiener Walzer, der anlässlich des Mozartjahres auf dem Welttanzkongress in Graz zum Tanz des Jahres 2006 erklärt wurde. Von Michaela Behr Kempten Es sieht ein wenig aus, als würden sie schweben. Sich schwebend drehen entgegen dem Uhrzeigersinn im Dreivierteltakt des Kaiserwalzers. Die Kemptener Tanzlehrer Gabi und Thommy Huber, Inhaber der gleichnamigen Tanzschule, scheinen in der Bewegung verschmolzen, als sie übers Parkett gleiten. Der Wiener Walzer ist für das Ehepaar etwas besonderes - vor allem auch, weil er der ursprünglichste unter den Turniertänzen ist. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lockt er mit seinem Dreivierteltakt auf die Tanzfläche - ohne dass er Trends zum Opfer fiel. Entwickelt hat er sich aus dem Ländler, einem süddeutschen Volkstanz. Damit ist der Wiener Walzer der einzige Turniertanz, der seinen Ursprung im deutschsprachigen Raum hat. Doch schrieb man laut Thommy Huber dem Walzer teuflische Kräfte zu, weil beim Tanzen ein Gefühl des Schwebens entsteht. Hinzu kam: Die enge Tanzhaltung und die Tatsache, dass die Fußknöchel der Frau zu sehen waren, geziemten sich nicht bei Hofe. So dauerte es bis zum Jahr 1770, ehe der Wiener Walzer seinen Durchbruch schaffte: Josef der Zweite, Sohn von Kaiserin Maria Theresia, öffnete in diesem Jahr die Hofburgbälle fürs gemeine Volk. So richtig in Schwung kam der Walzer dann mit dem Wiener Kongress 1814/15: Europa wurde neu geordnet, Wien tanzte auf legendären Bällen. Bis heute dreht man sich auf der ganzen Welt im Dreivierteltakt. Der Kaiserwalzer verklingt, Gabi Huber erklärt nun Schritt für Schritt, worauf es ankommt. 'Figuren gibt es kaum, eigentlich nur die Rechts- und Linksdrehung, hinzu kommen Spielereien wie offene Figuren', sagt sie. Oder das Fleckerl - aufgrund der Schwere eine reine Turnierfigur.
Enge Haltung, ruhiger Oberkörper Das besondere beim Wiener Walzer: Der einst verpönte Anschein des Schwebens. Diesen Anschein zu erwecken ist allerdings gar nicht so einfach, hier kristallieren sich die guten Tänzer heraus. Enge Haltung, ruhiger Oberkörper, gute Beintechnik und ein fließender Schwung. Der ist, wie Gabi Huber demonstriert, mit einem Uhrpendel vergleichbar. Der jeweils vorwärts Tanzende gibt einen Impuls an den Partner. Dadurch hebt und senkt sich das Tanzpaar in einem Fluss. 'Die Abstimmung mit dem Partner muss stimmen - sonst klappt’s nicht', so Thommy Huber. Was den Wiener Walzer zudem erschwert, ist das Tempo mit 60 Takten pro Minute. Das heißt: ein Takt pro Sekunde - und pro Sekunde drei Schritte. Damit ist der Wiener Walzer der schnellste der Standardtänze.
Wiener Walzer zur Popmusik Ein Anliegen der beiden Kemptener Tanzlehrer ist es, Jugendlichen zu zeigen, dass auch ein festlicher Tanz wie der Wiener Walzer auf Popmusik getanzt werden kann. 'Wiener Walzer auf 'Break Away' von US-Superstar-Gewinnerin Kelly Clarkson kommt in unseren Kursen ganz toll an', so Huber. Und doch kommt der Charme des Wiener Walzers erst mit festlicher Musik und im entsprechenden Rahmen richtig zum Tragen. Populärstes Beispiel: Der Wiener Opernball. Dass Tanzen Sport ist, erfahren laut Gabi Huber alljährlich die Debütanten-Kandidaten. Sie trainieren hart, ehe sie vor einem Prüfungskomitee antreten. Nur wer beim Tanzen auf einer geraden Linie linksherum besteht, wird als Debütant zum Wiener Opernball zugelassen. In diesem Sinne: 'Alles Walzer!'