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Ein Stein wider das Vergessen

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Ein Stein wider das Vergessen

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    Ein 'Stolperstein' erinnert an das Schicksal des Lindenbergers Jakob Plaut - 1944 ins KZ deportiert Lindenberg (pem). Der Stein vor dem Haus Hauptstraße 24 ist 10 mal 10 Zentimeter groß. Durch seine Farbe hebt er sich von dem grauen Einerlei des Pflasters ab. Passanten sollen drüberstolpern, innehalten, aufmerksam werden. Der 'Stolperstein' (siehe Wortweiser) erinnert an Jakob Plaut, der 1944 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert worden ist. 'Es gibt Geschehnisse, über die man stolpern muss - immer wieder - weil damit auch stets aufs Neue das ,Nie wiederÔ ins Gedächtnis gerufen wird', erklärte Kulturreferentin Ursula Schickle bei der Verlegung des Steins.

    Der Stolperstein geht auf Prof. Albert Wucher zurück. Der frühere Lindenberger, seit Jahrzehnten in München beheimatet, schrieb im vergangenen September ans Rathaus. Er wolle dem jüdischen Mitbürger Jakob Plaut ein bleibendes Andenken stiften, 'damit sein Name im Gedächtnis der Stadt Lindenberg nicht endgültig getilgt wird', zitierte Ursula Schickle aus dem Schreiben. Wagners Wunsch, den Künstler Gunter Demnig einen seiner 'Stolpersteine' verlegen zu lassen, kam der Stadtrat nach. Wer war Jakob Plaut? Manchem älteren Lindenberger ist er noch in gut in Erinnerung. 1867 in Makkenzell/Preußen geboren, kam er 1920 von Straßburg nach Lindenberg. Hier wohnte er im ersten Stock des Hauses Hauptstraße 24. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er als Hutverkäufer für die Firma Ottmar Reich. Plaut war Mitglied der evangelischen Gemeinde. Zeitzeugen erinnern sich an ihn als freundlichen, gütigen Mitbürger. 'Er war ein liebenswerter Mensch, der die jungen Leute mochte und niemandem ein Haar gekrümmt hat', schilderte Leni Schallweg, die in den 30-er Jahren eine Lehre bei Reich gemacht hat. Post von der Gestapo Wie Plauts jüdische Wurzeln bekannt geworden sind, ist unklar, schreibt Hans Stiefenhofer in seinen Beiträgen zur Heimatkunde. Nur das: Am 11. Januar 1944 erhielt Plaut von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) ein Schreiben mit der Aufforderung, sich für den Abtransport am Tag darauf bereitzuhalten. Als er am 12. Januar 1944 vom damaligen Stadtpolizisten Rollenmüller per Bahn nach München gebracht wurde, war Jakob Plaut 77 Jahre alt. Die Nachricht von der Deportation des geschätzten Mitbürgers verbreitete sich in Lindenberg. 'Plaut, dieser stille, freundliche Mann, wurde abgeholt - gholet wie die Lindenberger sagten. Was mag da in ihren Köpfen vorgegangen sein? Muss es da nicht Zweifel an den Parolen vom Volksfeind gegeben haben?', sagte Ursula Schickle. Und: 'Man weiß es nicht. Aber wir wissen, dass für Plaut ein schrecklicher Leidensweg begann' Demütigungen und Hunger Theresienstadt galt nicht als Vernichtungslager. Demütigungen, Hunger, Seuchen und Tod gehörten aber auch dort für die 30000 bis 50000 eingesperrten Menschen zum Alltag. Jakob Plaut hat die Qualen des KZ überlebt, dank eisernem Willen und Glück. Alle paar Wochen gingen Transporte mit 2400 Gefangenen von Theresienstadt in Vernichtungslager, wie Plaut in seinen schriftlichen Erinnerungen schildert. 'Nachts um 12 Uhr wurden in den Zimmern die Zettel ausgeteilt, dass sich die betreffenden Leute am anderen Morgen mit einem Handkoffer oder Rucksack einzufinden haben. Was sich da an Abschiedsszenen abgespielt hat, darüber möchte ich nichts erwähnen, es war mit einem Wort herzzerreißend.' Nach der Befreiung Theresienstadts durch russische Truppen kehrte Plaut in seine Heimatstadt zurück, wo ihn, wie Ursula Schickle schilderte, 'seine Nachbarn als freundlichen und liebenswerten Menschen erlebten und ihn auch nach seinem Tod 1955 in Augsburg in guter Erinnerung behielten.' Der kleine Stein soll die Erinnerung wach halten.

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