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Ein Puzzlespiel für den Richter

Justiz

Ein Puzzlespiel für den Richter

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    Ein Puzzlespiel für den Richter
    Ein Puzzlespiel für den Richter

    Zum Aufruf kommt eine Strafsache mit Körperverletzung. Es marschieren der Angeklagte, das Opfer und Zeugen auf. Zur Rekonstruktion des Tathergangs können sie fast nichts beitragen: "Ich war total besoffen", sagt eine junge Zeugin stellvertretend. Was sich so etwa vor einiger Zeit am Kaufbeurer Amtsgericht abspielte, ist für die Richter leidvoller Alltag. "Bei jeder zweiten Körperverletzung ist Alkohol im Spiel", seufzt ein Richter.

    Zumeist sind es Schlägereien auf Volksfesten, in Diskotheken oder in Wirtshäusern, bei denen die Beteiligten berauscht sind. Eben dort, wo Alkohol ausgeschenkt wird. Kommt die Polizei hinzu, nimmt sie Angaben von Menschen auf, an die sich die Beteiligten bei der späteren Gerichtsverhandlung kaum erinnern. "Für die Richter ist es schon schwierig, den Sachverhalt bei nüchternen Zeugen zu ermitteln. Aber wenn Täter, Opfer und fast alle Anwesenden angetrunken waren, erschwert das die Sache zusätzlich", berichtet Amtsgerichtsdirektor Friedrich Weber.

    Momentan versuchen 13 Richter in Kaufbeuren, die Wahrheit zu ermitteln. Alkohol ist dabei meist im Strafrecht im Spiel. Eindeutig etwa, wenn es um Trunkenheit im Straßenverkehr oder dessen Gefährdung geht.

    Wie viele Körperverletzungen mit Alkoholeinfluss geahndet werden, ist aber unbekannt - Richter vermuten, dass rund die Hälfte der Schlägereien Alkohol als Basis haben.

    Dramatisieren will Weber die Sache insgesamt zwar nicht: "Auch früher wurde schon getrunken." Aber die vielen Fälle vor Gericht spiegelten auch Veränderungen in der Gesellschaft wieder: Heuer werde vermehrt in der Öffentlichkeit getrunken. Auf soziale Schichten lasse sich das Phänomen übrigens nicht beschränken: "Das geht vom Chef bis zum Hilfsarbeiter."

    Betrunkene müssen nicht immer mit einer drastischen Strafe rechnen: Manchmal seien die Täter "so dicht", dass sie zu koordinierten Bewegungsabläufen kaum noch in der Lage waren und deshalb bei Schlägereien zu Opfern wurden.

    Umgekehrt können Trunkenbolde vor Gericht trotzdem nicht automatisch auf Gnade hoffen, schließlich gibt es auch Paragrafen wie jenen zum "vorsätzlichen Vollrausch": "Alkohol führt nicht generell zur Strafminderung. Und es gibt auch keinen Rabatt, wenn jemand vorbelastet ist", so Weber. (fro)

    Friedrich Weber

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