Von Berufs wegen hat er es mit Menschen zu tun, von denen sich der Normalbürger eher fernhält. Als Leitender Oberstaatsanwalt und Chef der Memminger Anklagebehörde ist Dr. Johann Kreuzpointner gewissermaßen gezwungen, sich mit Verbrechern zu befassen. Im Interview mit unserer Zeitung erzählt Kreuzpointner, wie er damit umgeht und wie er in seiner Freizeit einen Ausgleich zur Arbeit in der Staatsanwaltschaft findet.
Wie hält man das aus, Mördern, Totschlägern oder Kinderschändern gegenüberzusitzen oder sich ständig Fotos grausam Ermordeter anschauen zu müssen?
Kreuzpointner: Man muss gezielt darauf achten, so etwas nicht zu nahe an sich heranzulassen. Als Profi muss man Abstand haben. Hat man den nicht, ist man unter Umständen nicht in der Lage, einen Sachverhalt objektiv zu betrachten.
Das sagt sich so einfach
Dr. Kreuzpointner: Einfach ist es sicher nicht. Das soll beileibe nicht roh klingen: Aber eigentlich sollte beim Verlassen des Büros der Fall für diesen Tag aus dem Kopf sein. Zugegeben, das gelingt mir nicht immer. Ich mache mir schon auch nach Feierabend manchmal Gedanken.
Bei welchem Fall zum Beispiel?
Kreuzpointner: (überlegt kurz) Beim Fall Karolina, dem kleinen Mädchen aus Biberachzell, das umgebracht wurde. Das war schon mit das Grausamste, das mir untergekommen ist.
Der Fall hat ja bundesweit Schlagzeilen gemacht. Auf Ihre Initiative hin wurde er ein zweites Mal verhandelt mit dem Ergebnis, dass die Peiniger des Mädchens härter bestraft wurden. Spürt man da Genugtuung?
Kreuzpointner: Genugtuung in dem Sinn, ein richtiges Ergebnis herbeigeführt zu haben. Aber keinerlei Überschwang der Gefühle. Ich muss aber sagen, dass das Vergangenheit ist. Heute als Behördenleiter sitze ich nicht mehr so häufig im Gerichtssaal. Ich bin jetzt verstärkt mit Verwaltungsaufgaben beschäftigt.
Stichwort Verwaltung. Sie sind seit 2007 Chef von
Kreuzpointner: insgesamt 56 Frauen und Männern, darunter sind 16 Staatsanwälte. Zuständig sind wir für die Kreise Neu-Ulm, Günzburg und Unterallgäu sowie die Stadt Memmingen.
Beim Beobachter entsteht der Eindruck, dass die Memminger Staatsanwaltschaft immer jünger und vor allem immer weiblicher wird.
Kreuzpointner: Das täuscht nicht. Das Durchschnittsalter bei den jungen Staatsanwälten liegt bei unter 30 Jahren. Und ja, es stimmt: Immer mehr Frauen werden Staatsanwältinnen. Meiner Meinung nach hängt das damit zusammen, dass die Damen sich im Studium mehr reinhängen, junge Männer haben vielleicht andere Interessen (schmunzelt).
Sind die Examensnoten ausschlaggebend, um in die Justiz zu kommen?
Kreuzpointner: Ja. Und die jungen Staatsanwältinnen - auch ihre männlichen Kollegen - machen eine hervorragende Arbeit. Sie sind sehr fleißig, flexibel und jeder Situation gewachsen. Dasselbe gilt auch für die anderen Mitarbeiter. Ich kann nicht ohne Stolz sagen: eine hoch motivierte Truppe, ohne die ich aufgeschmissen wäre.
Derzeit ist es einigermaßen ruhig. Keine spektakulären Fälle wie in der Vergangenheit anhängig?
Kreuzpointner: Es ist sogar verdächtig ruhig. Aber die Grundlast ist immer da, Ladendiebe und Betrüger zum Beispiel machen keine Pause. Die momentane Ruhe nutzen wir aber, um unsere Organisationsstruktur zu optimieren. Auch Fortbildungen führen wir verstärkt durch. Wir versuchen dabei, jungen Kollegen unsere Erfahrungen weiterzugeben und ihnen Standvermögen zu vermitteln.
Kommen wir zum Privatmann Kreuzpointner. Eine Leidenschaft von Ihnen ist die Geschichtsforschung. Der Oberstaatsanwalt auf den Spuren von Heinrich Schliemann, dem Entdecker von Troja.
Kreuzpointner: Forschung würde ich nicht sagen, eher interessiert an Geschichte.
In ihrem Wohnort Babenhausen und auch darüber hinaus haben Sie aber schon einen gewissen Bekanntheitsgrad.
Kreuzpointner: Ich versuche gerade, alle Veröffentlichungen über Babenhausen zu sammeln, zu sichten und sie nach Datum und Ereignis zu strukturieren. Auf diese Weise versuche ich, einen Überblick zu schaffen. Das ist eine spannende Aufgabe und ein schöner Ausgleich zur Arbeit.