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"Ein Mensch voller Geheimnisse"

Interview

"Ein Mensch voller Geheimnisse"

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    "Ein Mensch voller Geheimnisse"
    "Ein Mensch voller Geheimnisse" Foto: cinetext/sammlung beyl

    Viele Legenden ranken sich um die Beziehungen der großen Marlene Dietrich nach Kaufbeuren, wo ihre Schwiegereltern lebten. Denn die Zeit hat viele Spuren der Diva, der 1930 mit dem Film "Der Blaue Engel" der Durchbruch gelang, verwischt. Der Historiker Manfred Heerdegen (51), der das Archiv des Neugablonzer Industrie- und Schmuckmuseumsvereins betreut, befasst sich seit vielen Jahren mit dem Leben der Schauspielerin und Sängerin. Mit ihm sprach die AZ.

    Herr Heerdegen, was gibt es über einen Star wie die Dietrich überhaupt noch Neues zu erfahren?

    Heerdegen: Vieles ist bekannt. Doch Marlene Dietrich ist bis heute auch ein Mensch voller Geheimnisse. Man muss wissen, dass sie ihr Privatleben damals abzuschotten wusste. Sie hat die Presse instrumentalisiert, ihr Leben stilisiert. Einer ihrer wichtigsten Berater dabei war ihr Entdecker und Ehemann Rudolf Sieber

    der Bruder von Ernst Sieber, der sich nach der Vertreibung mit seinen Eltern Anton und Rosa Sieber in Kaufbeuren niederließ, wo er die ehemalige Gablonzer Exportfirma Hugo Dahm wieder aufbaute. Wird damit der Kontakt der Dietrich nach Kaufbeuren begründet?

    Heerdegen: Die Dietrich hatte sich sehr um ihre Familie gekümmert, auch wenn es nicht immer einfach war. Obwohl sie sich 1929 von Rudolf Sieber trennte und mit Regisseur Josef von Sternberg ("Der Blaue Engel") in die USA ging, blieben die beiden immer verheiratet. Marlene Dietrich nahm großen Anteil am Schicksal ihrer Schwiegereltern, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihr Heim in Aussig im Sudetenland in Minuten verlassen mussten. Dass die Siebers bei Dietrichs Mutter Josefine von Losch in Berlin Unterschlupf bekamen, zeigt, wie intensiv die Verbindung war. Die Familie Sieber fand schließlich eine neue Heimat in Kaufbeuren.

    Wie sicher sind solche Erkenntnisse?

    Heerdegen: Es gibt viele Möglichkeiten zu recherchieren, etwa in der Marlene-Dietrich-Collection in Berlin, wo ihr noch längst nicht vollständig gesichteter Nachlass verwaltet wird. Bei Recherchen in Aussig und Neugablonz ergeben sich aber viele Plausibilitäten. So lässt sich der Weg der Schwiegereltern vom Sudetenland über ein Flüchtlingslager in Thüringen, den Unterschlupf bei Dietrichs Mutter in Berlin bis nach Kaufbeuren gut nachvollziehen. Es gibt aber noch viel zu ergründen.

    Genau einmal war die Dietrich in Kaufbeuren. Warum?

    Heerdegen: Nach einem Konzert in München, während ihrer letzten Auftritte in Deutschland 1960, weilte Marlene Dietrich einige Stunden in Kaufbeuren. Es war vor allem ein Besuch bei der kranken, alten Schwiegermutter Rosa Sieber, deren Enkelin noch heute in Kaufbeuren lebt, und es gab Mittagessen im "Goldenen Hirsch".

    Nach wie vor unbewiesen ist es, dass Marlene Dietrich die berühmte, im Neugablonzer Isergebirgsmuseum ausgestellte und nach ihr benannte Gürtelschnalle je getragen hat. Was wissen Sie darüber?

    Heerdegen: Das Schmuckstück hatte der 1991 gestorbene Max Müller für die Schauspielerin entworfen. Oft wird die Orchidee als "Brosche" bezeichnet. Dabei ist sie viel zu groß und zu schwer, um an einer Bluse Halt zu finden, und hat keine Mechanik an der Rückseite.

    Dietrichs Schwager Ernst Sieber vertrieb einst von Kaufbeuren aus auch die Kollektion von Max Müller. So könnte es also zu der Verbindung gekommen sein. Nicht gesichert ist, dass sich Müller für die Anprobe der Gürtelschnalle mit der Dietrich getroffen hat. Ungeklärt ist auch, ob und wann es zur Übergabe der Gürtelschnalle gekommen ist, für deren Herstellung Müller sechs Wochen brauchte. Dass es bei ihrem sehr kurzen Besuch in Kaufbeuren war, ist unwahrscheinlich.

    Die verstorbene Susanne Rössler, die einst das Neugablonzer Industrie- und Schmuckmuseum leitete, meinte einmal, dass der Museumsverein die Gürtelschnalle für das Isergebirgsmuseum nicht von der Dietrich oder einem ihrer Verwandten bekommen habe, eher von Max Müller.

    Heerdegen: Das ist gut möglich. Denn es handelte sich nicht um ein Unikat. Ich weiß von mindestens einem weiteren Exemplar.

    Wären Marlene Dietrich und ihre Verbindungen nach Kaufbeuren und Neugablonz nicht auch einmal ein Buch wert?

    Heerdegen: Dieses Kapitel ist noch nicht abgeschlossen. Es gibt noch viel zu erfahren, auch wenn die jüngere Geschichte der Gablonzer Industrie deshalb nicht umgeschrieben werden muss. Mich interessiert das Leben der Dietrich und ihrer Familie einfach, da es zeigt, wie unterschiedlich die Lebensläufe damals sein konnten. Aber die Forschungen laufen praktisch nebenher. Vielleicht entsteht daraus in ein paar Jahren mal ein Kapitel für einen neuen Band der Kaufbeurer Schriftenreihe.

    Das glamouröse Leben der Marlene Dietrich streifte auch Kaufbeuren. Foto: HGE/BD

    Manfred Heerdegen

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