'Der Bahnstreik ist mir wurscht', sagt Markus Singer. Der 44-jährige Marktoberdorfer ist zwar Pendler – er arbeitet als Lehrer an der Berufsschule in Kaufbeuren –, von öffentlichen Verkehrsmitteln ist er aber unabhängig. Denn er joggt jeden Tag den Weg zur Arbeit und wieder zurück.
Je nach Stundenplan läuft Singer hin und zurück oder fährt eine Strecke mit dem Rad. Für die 16 Kilometer benötigt er ungefähr eine Stunde. Für ein Gespräch mit der AZ hat er auf seinem Weg zurück nach Marktoberdorf eine Pause in Altdorf eingeschoben. Als er ankommt, ist er etwas außer Atem, Schweißperlen glänzen auf seiner Stirn.
Die Frage nach dem Warum drängt sich auf. Gut, Sprit wird immer teurer und auch die Bahn erhöht regelmäßig ihre Tarife. Aber ist es denn wirklich so schlimm um die Lehrergehälter bestellt? Nein, damit habe es nichts zu tun, winkt Singer ab. Zum Pendeln per Pedes hat er sich vor zehn Jahren entschlossen. Laufsport hatte er schon lange betrieben. 25 Marathons ist er bereits mitgelaufen. Und das mit großem Erfolg: Beim München-Marathon 2009 belegte er beispielsweise Platz zwölf.
Ausschlaggebend seien die Kinder gewesen, inzwischen hat er vier. Durch die Kindererziehung fehlte ihm die Zeit zum Trainieren, erzählt er. Den Sport aufgeben, das kam für ihn aber nicht in Frage. Und so entschloss er sich, das Zweitauto zu verkaufen und die Trainingseinheiten auf dem Arbeitsweg zu absolvieren. Netto investiert er in sein Training pro Strecke auch nur 40 Minuten, rechnet er vor. Denn wenn er mit dem Auto zur Arbeit fahren würde, würde das auch 20 Minuten brauchen.
Beim Laufen bekomme er außerdem den Kopf frei und habe Zeit zum Nachdenken. Häufig entwickelt er beispielsweise auf dem Weg Ideen für seinen Englisch- und Wirtschaftsunterricht, sagt er. Und durch die Laufeinheit kommt er immer entspannt in der Schule beziehungsweise zu Hause an. Nur in Ausnahmefällen fährt er mit dem Auto oder der Bahn, sagt er. Beispielsweise wenn er krank ist oder wegen einer Prüfung im Anzug in der Schule erscheinen muss.
Egal welches Wetter: Singer läuft
Trotz Spaß am Laufen: Manchmal kommt es vor, dass er morgens aufwacht und gar keine Lust auf den Arbeitsweg hat, sagt er. Vor allem an Tagen, an denen das Wetter mies ist. Bisher hat er aber seinen Schweinehund immer überwinden können. Egal ob Kälte, Regen oder Schnee: Singer lief. Vor einigen Jahren fiel die Schule aus, weil der Schneefall zu stark war – für Singer nicht stark genug. Er lief dennoch zur Schule. Sein Chef habe ihn damals als vorbildlichen Beamten gelobt, der trotz Schulausfalls in die Schule gekommen sei, sagt Singer. Dass er lediglich nicht mitbekommen habe, dass die Schule ausfällt, weil er nicht Radio gehört hat, verschwieg er damals seinem Chef, sagt Singer mit einem verschmitztem Lächeln. An einem anderen Tag war es so kalt, dass ihm die Nase zugefroren ist, erinnert sich Singer.
Dass er immer zur Schule joggt, habe sich bei Kollegen und Schülern rumgesprochen, sagt Singer. Einmal ist er an einer Gruppe von Schülern vorbeigelaufen. 'Die haben dann eine Reihe gebildet und mich mit ’Markus, Markus’ angefeuert', sagt er.
Die Schweißperlen auf Singers Stirn sind getrocknet, als er sich aufmacht, die restlichen fünf Kilometer von Altdorf nach Marktoberdorf zu laufen. In 20 Minuten wird er daheim sein.