Vor 300 Jahren, am 8. Mai 1710, wurde der Sohn eines Wangener Schmiedemeisters zum Abt von Ottobeuren gewählt. Als Rupert II Ness stand er drei Jahrzehnte lang an der Spitze der Reichsabtei und war während dieser Zeit Initiator und Bauherr einer der bedeutendsten Klosteranlagen des europäischen Barock.
Als 18-Jähriger legte Johannes Chrisostomus Ness 1688 die Ordensgelübde in Ottobeuren ab und erhielt den Klosternamen Rupert; 1694 wurde er zum Priester geweiht und studierte in Salzburg Theologie, Philosophie und Kirchenrecht. Nach Ottobeuren zurückgekehrt, bestimmte Abt Gordian Scherrich, wie er ein Sohn der Stadt Wangen, ihn zum Großkeller des Klosters.
Als Abt verkörperte Rupert Ness in geradezu idealer Weise den Typ des baufreudigen Barockprälaten. Aber da er als Großkeller zugleich gelernt hatte, mit den ökonomischen Gegebenheiten umzugehen, war er sich wohl bewusst, dass seine hochfliegenden Pläne auch bezahlt werden mussten.
Historiker konnten nachweisen, dass Ness die enormen Mittel zum Neubau der Reichsabtei aufbrachte, ohne des-wegen die Abgaben der Untertanen im Klosterstaat erhöhen zu müssen.
Kloster und Kirche von Grund auf neu zu errichten, war in der Tat ein kühnes Unterfangen. Hatte sich die Abtei doch gerade erst von den Folgen des verheerenden Dreißig-jährigen Krieges sowie des Spanischen Erbfolgekrieges einigermaßen erholt. Doch zu den "Sachzwängen" - die bestehenden Gebäude waren alt und teilweise verfallen - gesellten sich die damals allerorten in Süd-deutschland grassierende "Bauwut" und der unerschütterliche Wille, Gottes Größe auch mit irdischen Mitteln zu verherrlichen.
Der schwäbische Dichter Arthur Maximilian Miller hat dieses Zusammentreffen von kluger Ökonomie, barockem Repräsentationsdrang und fundierter Theologie sehr treffend in seinem Roman "Der Herr mit den drei Ringen" geschildert, dessen Titel auf das Wappen des Abtes Bezug nimmt.
Ottobeuren als souveräner Staat
Bevor Ness den Neubau in Angriff nahm, ordnete er erst noch die "staatsrechtlichen Grundlagen", die es ihm erlaubten, ganz nach eigenem Gutdünken im Ottobeurer "Ländle" schalten und walten zu können. Kurz nach seinem Amtsantritt gelang es ihm, für 30000 Gulden die Schutzvogteirechte abzulösen, die beim Augsburger Bischof lagen.
Damit war Ottobeuren mit seinen knapp 300 Quadratkilometer umfassenden Besitzungen ein quasi souveräner Staat und sollte es bis zur Säkularisation 1803 auch bleiben.
Eine nicht zu unterschätzende Rolle beim Neubau des Klosters spielte der "hauseigene" Architekt Pater Christoph Vogt, der von Ness mit der Fertigung eines Baurisses beauftragt worden war. Zwar gingen auch Ideen anderer Baumeister wie Thumb, Beer oder Herkommer in die Planungen ein, doch die Monumentalität der Anlage und ihre Ausrichtung auf die Nord-Südachse gehen auf Ness/Vogt zurück.
Nach der Grundsteinlegung am 5. Mai 1711 wurde zügig mit dem großen Werk begonnen, zunächst unter der Leitung des Baumeisters Johann Brenner aus dem Bregenzer Wald. Bereits 1715 war der "Konvent", das eigentliche klösterliche Wohngebäude fertig. Nachdem Brenner aus Krankheitsgründen seinen Abschied nehmen musste, beauftragte der Abt den begabten schwäbischen Landbaumeister Simpert Kramer mit dem Projekt, ein Glücksgriff. Kramer vollendete den Klosterbau und schloss das Projekt 1739/40 mit der Errichtung der westlich gelegenen Beamtengebäude ab.
Zur Ausstattung hatte der Abt zahlreiche Maler und Stuckateure herangezogen, neben einheimischen Kräften auch so bekannte Namen wie Zimmermann, Zeiller oder den Venezianer Jacopo Amigoni. Die Verwirklichung seines Herzenswunsches, die Fertigstellung der alles überragenden Kirche, erlebte der Bauherr allerdings nicht mehr.
Zwar hatte unter seiner Ägide Baumeister Kramer noch eigene Pläne für eine Basilika vorgelegt und mit den Arbeiten am Fundament begonnen. Doch als Abt Rupert Ness am 20. Oktober 1740 starb, war noch nicht einmal die Grundebene der Fassade erreicht. Erst seinem Nachfolger Abt Anselm Erb blieb es vorbehalten, das Werk durch den genialen Johann Michael Fischer vollenden zu lassen.