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Ein langer Weg bis Neugablonz

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Ein langer Weg bis Neugablonz

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    Neugablonz (sd). - Dass die einstige Vertriebenensiedlung Neugablonz diesen und keinen anderen Namen trägt, erscheint heute als Selbstverständlichkeit. Doch das war nicht immer so. Sechs Jahre voller zermürbender Verhandlungen waren nötig, bis die aus der Heimat vertriebenen Gablonzer endlich die Zusage erhielten, ihre neue Siedlung als Kaufbeuren-Neugablonz bezeichnen und ihre Schmuckwaren entsprechend kennzeichnen zu dürfen. Der Historiker Manfred Heerdegen hat das Hin und Her dieser Bemühungen in einer Untersuchung rekonstruiert und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass der Streit um den Namen Neugablonz Züge einer politischen Posse trägt. Die geschichtlichen Grundlagen sind bekannt. Nach der Vertreibung aus ihrer angestammten Heimat begann sich eine große Anzahl ehemaliger Bewohner der nordböhmischen Stadt Gablonz auf dem Gelände eines früheren Rüstungsbetriebs nahe Kaufbeuren niederzulassen. Die Siedlung gewann schnell an Größe, entwickelte sich deutschlandweit zur größten geschlossenen Ansiedlung von Vertriebenen. Schon kurz nachdem Ende Juni 1946 der Pachtvertrag für das Gelände, das den alten Kaufbeurer Flurnamen 'Hart' trug, unterzeichnet war, befassten sich die federführenden Gremien der Vertriebenen mit der Frage der Benennung. 'Gablonz im Allgäu' oder 'Neu-Gablonz' standen dabei ebenso im Raum wie politisch unverfänglichere Bezeichnungen wie 'Glashütte', 'Iserwald' oder 'Schmuckstadt'. Weil jedoch damals schon in Münchner Ministerien Bedenken hinsichtlich einer politischen Verwicklung bei Verwendung des Namens 'Gablonz' bestanden, beschloss der Kaufbeurer Stadtrat im August 1946, die neue Ansiedlung solle den Namen 'Kaufbeuren-Hart' bekommen.

    Gegen Bürgermeister gewandt Die Gablonzer, damit unzufrieden, gaben jedoch nicht auf, wurden wiederholt in München vorstellig, und so stellte der damalige Kaufbeurer Bürgermeister Georg Volkhardt Anfang 1947 im Stadtrat den Antrag, 'Kaufbeuren-Hart' in 'Kaufbeuren-Gablonz' umzubenennen. Mit siebzehn gegen zwei Stimmen wandten sich die Stadträte jedoch gegen ihren Bürgermeister, eine Entscheidung, zu der sich in der Kaufbeurer Bevölkerung durchaus lobende Stimmen erhoben, während sie auf Seiten der Gablonzer für Enttäuschung sorgte. Im April 1947 gaben die Räte jedoch ihr Einverständnis für eine Umbenennung des ungeliebten 'Kaufbeuren-Hart' in 'Kaufbeuren-Neu-Gablonz'. Inzwischen aber hatte die tschechische Regierung Protest beim Alliierten Kontrollrat in Berlin eingelegt gegen die Weiterverwendung sudetendeutscher Herkunftsbezeichnungen. Unter exportpolitischen Gesichtspunkten, wurde argumentiert, stellten Namen wie 'Gablonz' einen Missbrauch tschechischer(!) Ortsnamen dar. Die Beschwerde führte dann auch dazu, dass Bayern die Bezeichnung 'Kaufbeuren-Neu-Gablonz' nicht zuließ.

    Andere Begründung Einmal mehr ließen die Gablonzer in ihren Bemühungen nicht locker, und der politische Wind begann sich zu drehen, als der Ost-West-Konflikt an Schärfe zunahm. Im August 1949 bat der Siedlerausschuss den Kaufbeurer Stadtrat erneut um eine Umbenennung, unter anderem mit der Begründung, in der Bevölkerung habe sich längst die Bezeichnung 'Neugablonz' durchgesetzt. Wieder blockierte München, diesmal mit dem Hinweis darauf, dass die Namensgebung auch nationales Wettbewerbsrecht berühre: Eine im nordbayerischen Raum ansässige Genossenschaft ehemaliger Gablonzer protestiere gegen die Verwendung des Ortsnamens im Allgäu.

    Neuerlicher Antrag Auf einen neuerlichen Antrag kam es am 20. Mai 1952 dann zu der denkwürdigen Stadtratssitzung, in welcher die Versammelten geschlossen für die Umbenennung von 'Kaufbeuren-Hart' in 'Kaufbeuren-Neugablonz' stimmten. Im Namen 'alteingesessenener Stadtratsmitglieder' wurde eine Erklärung verlesen, dass die Umbenennung 'nur aus wirtschaftlichen Gründen' erfolge und 'andere Absichten' damit nicht verbunden seien. Am 8. August 1952 schließlich signalisierte auch das bayerische Innenministerium grünes Licht für den neuen Namen. i Manfred Heerdegens Abhandlung erscheint demnächst in dem Sammelband 'Kriegsende und Neubeginn in der Region', der von Reinhard Baumann und Paul Hoser herausgegeben wird.

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