Kaufbeuren (fro). - Vier Jahre war Alfred Neumann im Sommer oder Winter zu Fuß im Allgäu unterwegs - immer auf der Suche nach Artefakten im Boden aus der römischen Zeit. Das Ergebnis: Der 73-Jährige will den Verlauf der Römerstraße von Kempten nach Epfach und die römische Station Escone gefunden haben. Jetzt hat der Pensionär aus Kaufbeuren sogar ein Buch darüber verfasst.'Eigentlich wollte ich nur das mittlere Drittel der Römerstraße zwischen Oberzell und Aitrang suchen', erzählt Neumann. Stattdessen ging er akribisch weit mehr als die 50 Kilometer Luftlinie zwischen Epfach und Kempten ab. 'Ich kenne dort inzwischen jeden Feldweg', witzelt der ehemalige Kaufbeurer Stadtrat. Die Römerstraße zwischen Epfach und Oberzell 'passt', meint er, während er zwischen Aitrang und Betzigau bei Kempten einige 'Abweichungen' gefunden haben will. Doch die 16 Kilometer im mittleren Drittel verliefen ganz anders als bislang angenommen: Während der Kaufbeurer Kurat Christian Frank sie 1904/07 untersuchte und von Oberzell nach Bidingen und südlich an Biessenhofen und Aitrang entlang verortete, geht Neumann von einer nördlich gelegenen Trasse aus. Den Einstieg dazu habe er zufällig gefunden, als eine Schneeschmelze eine Bodenverfärbung freigab, die auf die Straße hinweist, so Neumann. Der Spur folgend sei der Straßenverlauf von Oberzell bis nördlich Aitrang fast gerade. Und am Bachtelsee (bei Kaufbeuren) auf dem Freyberg vermutet Neumann die Römerstation Escone. Das ist die These, die Neumann in dem 54-seitigen Buch 'Römerstraße Cambodunum- Abodiacum' vorträgt. Seine Theorie unterstützt er mit eigenen Bildern, Karten und GPS-Daten oder untermauert sie mit Sekundärliteratur. Aber er zieht auch Primärliteratur, wie die Peutingertafel, zu Rate, auf der die Römer ihr Straßennetz verzeichneten. Seine Befunde beschreibt der Diplom-Hochbauingenieur eher naturwissenschaftlich. Doch das sei sein Vorteil, denn dadurch ' bin ich technisch an die Sache herangegangen'. Eine Bestätigung seiner Thesen gibt es allerdings noch nicht. Immerhin, Helmut Bender, Professor in Passau und Vorsitzender des Archäologischen Vereins Bayern, zeigt Interesse, doch erst Grabungen könnten Neumanns Theorie beweisen. So sieht das auch Dr. Andreas Büttner von der Außenstelle Thierhaupten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLf D): 'Letztlich können nur harte Methoden wie Ausgrabungen Klarheit bringen.' Die Theorie von Neumann sei dem Amt bekannt, aber es fehlten Mittel und Personal, um darauf schnell zu reagieren. Zumal über Escone verschiedene Theorien vorlägen. Zunächst prüfe das BLf D Details der Theorie anhand der Archivalien und anderer Unterlagen wie Luftbildern in der Außenstelle. Daraus könne sich ergeben, dass Neumann tatsächlich Bodendenkmäler wie Straßen gefunden hat.'Er hat mit Sicherheit etwas entdeckt', glaubt Büttner. Allerdings könnten diese undatierten Straßenfragmente frühzeitlich, römisch, mittelalterlich oder gar neuzeitlich sein, schränkt er ein. Selbst eine Begehung gebe noch keinen Aufschluss.
Froh über freiwillige Arbeit Es sei eben ein langer Prozess bis zur Anerkennung einer Theorie. Büttner hat aber einen gelassenen Rat parat: 'Die Bodendenkmäler liegen zum Teil schon Tausende von Jahren dort. Die laufen uns nicht weg.' Trotzdem sei das Amt froh über freiwillige Helfer: 'Wir können die Arbeit allein nicht leisten.' Neumann hat die Wissenschaftler beim Wort genommen: Inzwischen habe er ein 40 000 Quadratmeter großes Römerlager bei Eggenthal gefunden. Doch erst einmal erscheint am 1. Oktober das im Selbstverlag produzierte Werk im Kaufbeurer Buchhandel.