Marktoberdorf/Kaufbeuren (bbm). - Wenn junge Menschen wiederholt durch Gewalttaten auffallen, dann liegt dies, wie es der Vorsitzende des Kaufbeurer Jugendschöffengerichts in einer Verhandlung formulierte, zumeist an 'unreflektiertem Verhalten'. Genau an diesem Punkt setzt ein neues Angebot der Bewährungshilfe Kaufbeuren an: In einem halbjährigen Anti-Aggressivitäts-Training werden ab Sommer dieses Jahres junge Wiederholungstäter aus dem gesamten Einzugsbereich des Landgerichts Kempten mit ihrer Tat und insbesondere mit dem Leid der Opfer konfrontiert.'Ziel ist die Vermeidung weiterer Gewalttaten', betonen die beiden Kursleiter, Bewährungshelfer Wolfgang Amsbeck und die Anti-Aggressivitäts-Trainerin Tatyana Holbe. Die Idee für den Kurs, dessen Trägerschaft der Bewährungshilfeverein übernommen hat, entstand aus der täglichen Arbeit der Bewährungshelfer. Bislang, so Wolfgang Amsbeck, wurden Täter mit Gewaltproblemen zumeist an eine Münchner Einrichtung vermittelt, die auch 'definitiv gute Arbeit' leiste. Abgesehen von der Entfernung sei es jedoch nicht einfach, dort einen Platz zu bekommen. Das Kaufbeurer Anti-Aggressivitäts-Training ist speziell für junge, männliche Wiederholungstäter im Alter von 16 bis 23 Jahren gedacht. Die Zuweisung wird laut Amsbeck über die Gerichte laufen, die den Kurs als Auflage im Urteil festschreiben können. Damit ist auch ein gewisser Druck von außen gewährleistet. Bei Abbruch des Trainings drohen erhebliche Sanktionen wie Ungehorsamsarreste oder gar der Bewährungswiderruf.
'Alles andere als Vergnügen'Der Kurs selbst, so betonen die Verantwortlichen, sei für die jungen Wiederholungstäter 'alles andere als eine Vergnügungsveranstaltung.' In Gruppentreffen und vier mehrtägigen Trainingsblöcken soll intensiv gearbeitet werden. Dass dabei auch für vermeintlich hartgesottene Heranwachsende über kurz oder lang der Punkt kommt, an dem es keine Ausflüchte mehr gibt, weiß Anti-Aggressivitäts-Trainerin Tatyana Holbe, die bereits einen Kurs in Ulm mit betreut hat, aus Erfahrung: 'Am Anfang versuchen es viele noch mit 'Coolness' - womit sie ja bislang meist durchgekommen sind. Spätestens auf dem 'Heißen Stuhl' wird das schon anders. Hierbei wird der junge Täter deutlich mit seiner Tat und insbesondere mit den Auswirkungen auf das Opfer konfrontiert, unter anderem auch durch Fotos, die die Verletzungen zeigen. Eine wichtige Rolle spielt auch die Gruppe, die nach Erfahrung der Anti-Aggressivitäts-Trainerin den jeweils Betroffenen sehr direkt konfrontiert und zudem auch konsequent auf Einhaltung der Kursregeln pocht. Tatyana Holbe weiß: 'Wenn beispielsweise ein anderer Jugendlicher sagt: Eh Alter, das läuft so nicht!, macht das unter Umständen mehr Eindruck , als wenn ein Sozialpädagoge ausführliche Erklärungen abgibt.' Wenn dann die Kursteilnehmer so weit sind, dass sie Verantwortung für ihre Tat übernehmen und die Auswirkungen auf ihre Opfer nachempfinden können, wird an friedlichen Konfliktlösungsstrategien gearbeitet. Außerdem soll während des Trainings eine ernstzunehmende Wiedergutmachung erfolgen, um Opfern die Angst vor einer Wiederholung des Erlittenen zu nehmen.'Forschungen haben gezeigt, dass es Opfern von Gewalttaten nicht allein um die Bestrafung der Täter geht. Sie haben auch großes Interesse daran, dass ihnen selbst und anderen Vergleichbares nicht noch einmal widerfährt', betont Bewährungshelfer Wolfgang Amsbeck. Er und Trainerin Tatyana Holbe sind davon überzeugt, dass ein Anti-Aggressivitäts-Training in vielen Fällen weitere Gewalttaten verhindern kann. Die Trainerin verweist in diesem Zusammenhang auf Statistiken, die belegen, 'dass zwei Drittel der Teilnehmer nicht mehr rückfällig werden.' Und auch die Personen, die es nicht schaffen, künftig straffrei zu bleiben, werden laut Holbe häufig nicht mehr in der bisherigen Intensität auffällig.