Angeklagter will in Notwehr gehandelt haben - Verfahren wird eingestellt Lindau/Westallgäu (enz). 'Heute weiß ich, dass es besser gewesen wäre, einfach weiterzufahren.' So die Erkenntnis eines der Sachbeschädigung angeklagten Lindauers, der mit einem heftigen Tritt die Fahrertür eines mit zwei Vorarlbergern besetzten Autos ramponiert hatte.
Er habe, so begründete der 26-Jährige sein rabiates Verhalten, deshalb gegen die Autotür getreten, um den mit einem gezückten Messer drohenden Fahrer am Aussteigen zu hindern. 'Ich hatte Angst, dass er mich absticht', beschrieb der Lindauer sein Empfinden und rechtfertigte den von ihm verursachten Blechschaden als Notwehr. Noch ehe er in sein eigenes Auto flüchten konnte, sei der Beifahrer aus dem Pkw gesprungen und habe ihn am T-Shirt gepackt. 'Mit erhobenen Händen wollte ich klar machen, dass ich keine Gegenwehr leiste', erklärte der Angeklagte, gegen den das Verfahren wegen Sachbeschädigung eingestellt wurde. Allerdings gegen Auflage einer gemeinnützigen Geldbuße von 200 Euro. Ob er darüber hinaus den mit rund 1300 Euro bezifferten Schaden an der Autotür berappen muss, wird zivilrechtlich zu klären sein. Was der Lindauer zuvor dem Gericht geschildert hatte, glich einer filmreifen Verfolgungsszene im Straßenverkehr. Er sei mit dem Auto auf dem Weg zur Sparkasse am Lindauer Bahnhof gewesen, als in Höhe der Inselhalle hinter ihm ein in Schlangenlinie fahrendes Auto herangerauscht und dicht aufgefahren sei. Das waghalsige Manöver des Beschleunigens und Bremsens habe sich mehrmals wiederholt. Schließlich sei der Verfolger an ihm vorbei, um dann brutal einzuscheren und ihn auszubremsen. Beim späteren Stopp beider Fahrzeuge sei er mit Flüchen empfangen worden. Richter Klaus Harter unterbrach: 'Warum sind Sie ausgestiegen und auf das haltende Auto zugeeilt?' Antwort: 'Ich wollte wissen, was das für ein Depp ist - dann habe ich die Klinge blitzen sehen und reflexartig gegen die Fahrertür getreten.' Kurz darauf sei überraschend die Polizei vor Ort gewesen. Wie sich bei der Beweisaufnahme vor Gericht herausstellte, war die Suche der Polizisten nach dem ominösen Messer zunächst erfolglos verlaufen. Man habe sowohl die unmittelbare Umgebung abgesucht als auch eine Leibesvisitation vorgenommen, versicherten die Beamten. Ein später im Kofferraum entdecktes Taschenmesser sei schwerlich mit dem Geschehen in Zusammenhang zu bringen, weil ein Öffnen des Kofferraumdeckels zum Verstecken des Messers aufgefallen wäre. Völlig ausschließen wollte dies jedoch der Richter nicht. Im Handschuhfach des österreichischen Wagens wurde das muskelbildende Präparat Testosteron gefunden, was womöglich mit der Kraftmeierei der Autoinsassen zu tun haben könnte. Auf die gerichtliche Vernehmung der beiden Vorarlberger wurde ebenso verzichtet wie auf die Anhörung von Zeugen, weil ihre gegensätzlichen Aussagen keine Klärung des Sachverhalts erwarten lasse.