Schaut man James Barnes, heuer Gastdozent beim Kompositionsseminar "wind-richtung" an der Musikakademie in Marktoberdorf, beim Unterricht zu, merkt man schnell, dass er ein starkes Interesse am Zusammenwirken der Klangfarben hat. In einer Einzelstunde mit einer Komponistin aus Mannheim hat er zu nahezu jedem Detail der Instrumentation einen fundierten Kommentar parat. Obwohl selbst gelernter Tubist haben es ihm die Farben der Holzblasinstrumente besonders angetan, die sich seiner Ansicht nach schlecht mit anderen Klängen mischen. Umso mehr liefere ein Instrument wie das Horn eine integrierende Farbe zum Beispiel im Bläserquintett.
Der fast 61-jährige Dozent an der University of Kansas stammt zwar aus einer unmusikalischen Familie, wusste aber bald, dass er sich nur in einem Umfeld wohlfühlt, das ihm täglich Musik bietet. "Schon früh habe ich alle Arten von Musik gehört, meistens Klassik und Jazz." Dies bewahrte ihn, dessen Werke zu einem großen Teil für Blasorchester instrumentiert sind, vor einem Schmoren im eigenen Saft. Oft kritisiert er, dass viele Kollegen kaum über den blasmusikalischen Tellerrand hinausschauen.
Als Beispiel nennt James Barnes eines seiner Werke, das er am kommenden Samstag beim Abschlusskonzert des 22. Sommerkurses für sinfonisches Blasorchester im großen Saal der Musikakademie dirigieren wird.
"Chorale Prelude on a German Folk Tune" ("Mein junges Leben hat ein End") entstand als Reaktion auf den frühen Tod eines Freundes und ist formal an die großen Bachschen Choralvorspiele angelehnt. "Ganz am Ende, wenn die Musik eine Art Übergang ins Leben nach dem Tode beschwört, zitiere ich ein Stück aus ,Tod und Verklärung von Richard Strauss" sagt Barnes. "Wenn Sie das Werk hören, werden Sie die Stelle sofort wiedererkennen, aber in den USA habe ich keinen einzigen Blasorchesterdirigenten gesehen, der dieses Zitat erkannt hat. Keinen einzigen!"
Barnes ist ein musikalisch hochgebildeter Mensch, der Zitate wie das eben erwähnte ganz bewusst einsetzt. "Je mehr man über die Musik von anderen weiß, desto besser schreibt man selbst" sagt er. Das Komponieren geschieht bei ihm am Klavier, auch wenn er sich selbst nicht als guten Pianisten bezeichnet. "Strawinsky war es auch nicht." Es würde ihn aber freuen, wenn mehr Dirigenten mit diesem Instrument arbeiten würden, zum Beispiel beim Partiturstudium. "Das ist eine untergegangene Kunst. Tonaufnahmen haben das Partiturstudium ersetzt."
Sinfonie über Bürgerkrieg
Barnes, der in der Regel nie mehr als zwei Kompositionsaufträge pro Jahr annimmt, hat kürzlich seine siebte Sinfonie vollendet, ein Stück zum Thema Amerikanischer Bürgerkrieg. Es wird im kommenden April anlässlich des 150. Jahrestages des Kriegsausbruchs von der US Army Band uraufgeführt werden. "Das ist eines der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte" sinniert er. "Da starben mehr Menschen als in allen anderen Kriegen mit amerikanischer Beteiligung zusammen."