Von Stefanie Dodel, Memmingen - 'Die Zeit bleibt stehen. Und sie läuft dennoch weiter.' Mit diesen Worten versucht Christian Fleck seine Trauer und seine innere Zerrissenheit zu fassen. Zwei Kinder haben er und seine Frau verloren, zwei ungeborene Kinder. Vor vielen Jahren. Und dann ist da zum Beispiel Simon. Er war vier Monate alt. Seine Mutter legte ihn abends in sein Bettchen. Am nächsten Morgen war er tot, gestorben am plötzlichen Säuglingstod. Stefan war 18, als er mit seinem Auto tödlich verunglückte. Seit 17 Jahren ist Simon inzwischen tot. Stefan seit fünf Monaten. Drei vollkommen unterschiedliche Schicksale, doch ihre Eltern verbindet eines: Die Trauer um ein geliebtes Kind, egal ob geboren oder ungeboren. Um Eltern und Geschwistern, Verwandten und Freunden einen Raum zum Trauern zu geben, gründete Veronika Rist-Grundner vor 15 Jahren die Selbsthilfegruppe 'Verwaiste Eltern Allgäu'. Rund 500 Familien haben sie und ihr Mann Werner seitdem begleitet. Denn: 'Trauer braucht Gemeinschaft, braucht ein Gegenüber und Trauer braucht Ausdruck', zitiert Rist-Grundner den Trauerbegleiter Jorgos Canacakis. Am Wochenende hatten in Memmingen betroffene Eltern aus dem ganzen Allgäu anlässlich des 15-jährigen Jahrestags wieder Gelegenheit, miteinander zu reden, zu schweigen und zu trauern.
Den Tod nicht tot schweigen Nicht immer ganz einfach. Die Art der Trauer sei nämlich bei jedem unterschiedlich, sagt Christian Fleck. Seine Frau, Christine Fleck-Bohaumilitzky, ist stellvertretende Vorsitzende im Bundesverband 'Verwaiste Eltern'. Paare hätten beim Trauern oft ein 'ungleiches Tempo der Zeit', sagt er. Jeder Partner erlebe seine Trauer anders. Zurückgezogen oder offen, in jeder Sekunde voll spürbar oder verdrängt vom Stress des Alltags. Deshalb könne man sich oft nicht gegenseitig trösten. Für viele Paare werde der Verlust eines Kindes zur Zerreißprobe. Vor allem dann, wenn die andere Art der Trauerbewältigung vom Partner missverstanden wird. Als 'Sich-hängen-lassen' oder totales Abblocken. 'Ganz wichtig ist es dann, niemals aufzuhören miteinander zu reden', sagt Fleck-Bohaumilitzky. Auch die Geschwister des toten Kindes dürften dabei niemals vergessen werden. Denn sie leben auch weiterhin. Und trauern selbst, auch wenn sie dies manchmal nicht zeigen. 'Unser Sohn war 15, als seine Schwester starb', erzählt eine Mutter. Er habe den Tod der Schwester nach außen hin relativ locker genommen. 'Erst im Nachhinein ist mir klar geworden, dass er für uns stark sein wollte. Damit er uns nicht auch noch mit seiner Trauer belastet.' Tod und Trauer sollten also nicht tot geschwiegen werden. 'Ich habe noch immer zwei Kinder', sagt eine Mutter beispielsweise. 'Ein Kind im Herzen, eines an der Hand.' i Trauernde und deren Umfeld - können Kontakt aufnehmen zu den 'Verwaisten Eltern Allgäu' über Veronika Rist-Grundner unter Telefon (08363) 5945. Spenden über den Bundesverband, Konto-Nummer 8321100 bei der Bank für Sozialwirtschaft Köln, BLZ 37020500. Verwendungszweck: Regionalgruppe Allgäu.