Peter-Josef Paffen (60) ist Vorsitzender der AGCO/Fendt-Geschäftsführung. Im Interview mit der Allgäuer Zeitung äußert er sich zum derzeitigen Stand der Dinge im Unternehmen.
Herr Paffen, 2014 war Krise angesagt bei AGCO/Fendt. Und jetzt? Wie läuft es nach der Umstrukturierung?
Paffen: Krise ist für mich nicht die richtige Kategorie. Es gab erhebliche Marktrückgange und Anpassungen im Unternehmen, aber keine wirtschaftliche Krise. Das vergangene Jahr zählt zu den fünf erfolgreichsten der Fendt-Geschichte. Und auch dieses Jahr werden wir ein Top-Ergebnis abliefern. Wir waren zu keinem Zeitpunkt in einer wirtschaftlichen Notlage und sind heute weiter denn je davon entfernt. Krise? Das Gegenteil ist richtig: Wir blicken auf eine große Wachstums- und Erfolgsgeschichte der letzten zehn Jahre zurück.
Wie passt es da ins Bild, dass im vergangenen Jahr ?
Paffen: Das Jahr 2014 hatte für uns ganz gut angefangen. Doch dann brachen die Märkte drastisch ein und wir mussten schnell reagieren. In so einem schwierigen Umfeld muss man zur richtigen Zeit, die richtigen Dinge tun, um nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verlieren. Alles, was wir getan haben, war richtig und notwendig. Es geht immer darum, den Standort langfristig zu sichern. Das ist das höchste Gut. Und wir gehen gestärkt aus dieser Phase heraus.
Derzeit beschäftigt AGCO/Fendt an den beiden Standorten Marktoberdorf und Asbach-Bäumenheim 3.800 Mitarbeiter. Wird diese Zahl Ende des Jahres noch stehen?
Paffen: Eine schwierige Frage. Heute könnte ich auf keinen einzigen Mitarbeiter verzichten. Doch der Markt ist so umkämpft, dass wir natürlich immer bestrebt sind, Produktionsabläufe zu verbessern und Kosten zu verringern. Wir sind stets auf der Suche nach Einsparpotenzialen. Wenn wir Potenzial identifizieren, setzen wir das um. Aber da sprechen wir nicht von größeren Projekten, sondern bewegen uns vielleicht im Dutzend-Bereich. Gleichzeitig werden wir für spezielle Projekte Personal zur Prozessoptimierung zeitlich befristet einstellen.
Von Mitarbeitern hört man immer wieder einen Vorwurf in Richtung Geschäftsführung: Hausgemachte Fehler hätten die Einschnitte 2014 heraufbeschworen. Die Rede ist von Überproduktion nach der Inbetriebnahme des neuen Werkes. Haben Sie falsche Entscheidungen getroffen?
Paffen: Märkte lassen sich nicht immer so vorhersehen, wie man es sich denkt und wünscht – das haben wir im vergangenen Jahr lernen müssen. Insofern wurden wir von den Marktrückgängen etwas überrascht. Das hat aber in keinster Weise mit hausgemachten Fehlern zu tun. Es ist nach wie vor unser Ziel, mittel- und langfristig 20.000 Schlepper im Jahr zu verkaufen. Das Ziel verfolgen wir ungebrochen. Sonst hätten wir das neue Werk ja gar nicht bauen müssen. Wir wollen gravierend wachsen. Als ein Zeichen dafür präsentieren wir im November auf der Agritechnica in Hannover so viele neue Produkte wie noch nie in der Geschichte von Fendt.
Neue Produkte sind gut, aber man muss sie auch verkaufen können. Was sieht man denn derzeit beim Blick in Ihre Auftragsbücher?
Paffen: Unsere Auftragsbücher sind ordentlich gefüllt. Wir sind jetzt ausverkauft bis fast zum Oktober. Also überhaupt keine Stress-Situation. Wir bewegen uns insgesamt in unserem Erwartungshorizont - auch was die Stückzahlen anbelangt. So planen wir, in diesem Jahr zwischen 13.500 und 14.000 Schleppern abzusetzen (Vorjahr rund 14.700, Anm. d. Red.).
Die Endmontage wurde umgestellt von zwei Schichten auf einen Einschichtbetrieb. Was bringt das?
Paffen: Die Montage von einem Zweischicht- auf ein Einschichtmodell umstellen, das klingt so einfach, ist es aber nicht. Wir haben das Werk dafür komplett umbauen und einen zweistelligen Millionenbetrag investieren müssen. Dahinter steht eine völlig andere Herangehensweise an die Produktion, was sich schon allein daran zeigt, das 30 bis 40 Prozent mehr Leute am Band stehen. Das Zweischicht-Konzept war ausschließlich auf schnelles Wachstum angelegt. Mit der neuen Produktionsweise können wir nun jedoch schneller reagieren und das Volumen nach oben oder unten korrigieren. Je nach dem, was die Märkte uns vorgeben.
Branchenverbände wie der VDMA prognostizieren für dieses Jahr ein Absatz-Minus für Traktorenhersteller. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Paffen: Wir bewegen uns noch immer in der Rezession, allerdings ist die Talsohle erreicht. Wir rechnen heuer mit einem Minus von zehn Prozent. Es ist so: Der Maschinenbestand unserer Kunden ist sehr aktuell und modern. Und bei schwierigen, unsicheren Rahmenbedingungen reagieren die Kunden eher abwartend und zögerlich, was neue Investitionen anbelangt. Zumal die Landwirte weniger Geld zur Verfügung haben, weil die Preise etwa für Milch und Getreide überdurchschnittlich gesunken sind. Wenn die Erzeugerpreise und Einkommen unserer Kunden wieder steigen, werden auch die Landtechnikmärkte wieder anziehen.
In den vergangenen Jahren haben Sie immer wieder betont, dass Fendt besonders auf dem osteuropäischen Markt wachsen will. Wie hart trifft Sie da die Russland-Krise?
Paffen: Der Absatzmarkt in Russland ist für uns von den Stückzahlen überschaubar, da bewegen wir uns im Hunderter-Bereich. Das heißt, selbst wenn wir dort auf Null fallen, ist das für unseren Gesamtabsatz eigentlich nicht relevant. Gleichwohl hat dieser Markt unendliches Potenzial und wir wollen dort gravierend reinwachsen. In dieser Hinsicht hat uns die Russland-Krise stark ausgebremst. Was uns aber viel, viel mehr beschäftigt, sind die Sanktionen gegen Russland. Die betreffen nämlich unsere Kunden in ganz Europa, weil sie deswegen ihre Milch, ihr Gemüse oder Fleisch nicht mehr in diese Region absetzen können und stattdessen neue Absatzmärkte finden müssen. Diese Situation erzeugt Unsicherheit und Kaufzurückhaltung bei unseren Kunden – und das spüren wir schon.
Sie sagen: Fendt will wachsen. Gibt es bei Ihnen Bestrebungen, neue Kunden zu gewinnen etwa über eine Art Volksschlepper, einen Traktor für Jedermann?
Paffen: Solche Überlegungen treffen wir natürlich auch. Allerdings gehört es nicht zu unserem Kerngeschäft, einen Billigschlepper anzubieten. Wir werden niemals den Preiswettbewerb anstreben. Gleichwohl erkennen wir ein Kundenpotenzial im unteren PS-Leistungsbereich. Und in dieser Klasse ein Premium-Segment zu entwickeln, das kann ich mir sehr gut vorstellen.
Zur Person:
Der gebürtige Rheinländer Peter-Josef Paffen kam 1998 zu Fendt nach Marktoberdorf ins Ostallgäu. Anfangs war der Diplom-Ingenieur für den Bereich Forschung und Entwicklung zuständig. Sehr bald stieg er in die Geschäftsführung auf. Im Jahr 2009 rückte er an die die Spitze des Unternehmens als Nachfolger des plötzlich verstorbenen Hermann Merschroth. Paffen trieb den Ausbau der Standorte Marktoberdorf und Asbach-Bäumenheim voran. Im September 2012 ging in Marktoberdorf das nach Unternehmensangaben 'modernste Traktorenwerk der Welt' in Betrieb. Paffen ist verheiratet und hat drei Kinder. Er lebt in Stötten am Auerberg.