Von Peter Schwarz Oberstdorf65 Jahre hat der Erstbezwinger der Eiger-Nordwand, Anderl Heckmair, in Oberstdorf gelebt. Jahrzehnte lang wirkte er als Bergführer. Mit dem Tod des 98-Jährigen verliert die alpine Welt nicht nur eine legendäre Bergsteiger-Gestalt, sondern die Marktgemeinde auch ihren Ehrenbürger. Dem gebürtigen Münchner, der mit seiner alpinistischen Glanzleistung 1938 zu Weltruhm gelangt ist, hat stets die Mischung in seiner Wahlheimat so gut gefallen. Ein kleiner Gebirgsort, aber nicht hinterm Mond daheim, mit attraktiven Bergen, aber nicht zu hoch, und mit einer wunderbaren Vielfältigkeit der Botanik gesegnet. Diese Liebeserklärung machte der Meisterkletterer, als ihm 1996 die Ehrenbürgerwürde verliehen wurde. E Die Dritte Seite Bürgermeister Thomas Müller, der schon als Kind zu dem Pionier des Alpinismus aufschaute, spricht von einem großen Verlust. Heckmair sei ein Botschafter für Oberstdorf gewesen. Gerade für den alpinen Tourismus im Allgäu habe sich dieser eingesetzt und zudem als Ausbilder viele junge Menschen mit den Bergen vertraut gemacht. Bis ins hohe Alter hinein hätten Heckmair und dessen Ehefrau Trudl zudem noch Wanderführungen am Söllereck geleitet, die stets für alle Teilnehmer ein Riesenerlebnis gewesen seien. Ein großes Idol Müller, der in den letzten Jahren keinen Geburtstag von Heckmair als offizieller Gratulant ausließ, nannte ihn gestern einen absolut liebenswürdigen Menschen. Auch Müllers Vorgänger Eduard Geyer, in dessen Amtszeit Heckmair für bergsteigerischen Leistungen, große persönliche Verdienste um die alpinistische Ausbildung der Jugend und die Förderung des örtlichen Tourismus zum Ehrenbürger ernannt worden war, erinnert sich voller Wehmut an den Anderl. Er sei für den selbst bergsteigerisch bewanderten Rathauschef das große Idol gewesen.
Einige Male ging der jetzige Altbürgermeister mit Heckmair auf Expedition, im Himalaja, aber auch am Eiger, wo der damalige Bergvagabund seinen größten Triumph erlebt hatte. Die spätere Kraxelei auf den Schweizer Extrem-Berg mit Geyer hatte der erfahrene Bergführer seinerzeit gegen den Widerstand des Bürgermeisters kurz vor dem Gipfel abgebrochen, weil es zu gefährlich geworden war. Lieber ein beleidigtes Gesicht als ein bleiches Gesicht, habe der vorsichtige Heckmair damals gesagt, erinnert sich Geyer. Einige Jahre durfte er überdies als direkter Nachbar zum Reihenhäuschen von Familie Heckmair die gärtnerischen Kenntnisse des einstigen Gartenbautechnikers bestaunen. Überhaupt rühmen die Zeitgenossen, die dem Bergsteiger-Pionier begegnet sind, dessen Wortwitz und rustikalen Charme, aber zugleich auch Heckmairs Bescheidenheit trotz all seines auch in Büchern verewigten Ruhmes. Sein Humor wird uns fehlen, bestätigt Tim-Felix Heinze, der als Vorsitzender der hiesigen Alpenvereins-Sektion mit Heckmair auch einen früheren Sektions-Vorsitzenden und Ehrenmitglied verliert. Als Ausbilder der Vereinsjugend habe die alpine Symbolfigur den jungen Menschen die Liebe zu den Bergen eingeimpft, stellte Heinze fest. Auch ein guter Organisator konnte Heckmair sein. Der deutsche Bergführerverband wurde vom Eiger-Nordwand-Bezwinger begründet. Erst in den letzten Wochen hatte dem selbst im hohen Alter noch ungewöhnlich Rüstigen eine Krankheit derart zugesetzt, dass er sie nicht mehr besiegen konnte wie 1938 die senkrechte Eiger-Felswand. Der Ehrenbürger, der den Namen der Gemeinde in die Welt hinausgetragen hat, soll auf dem Oberstdorfer Waldfriedhof ein Ehrengrab direkt neben der Dichterin Gertrud von le Fort erhalten. Die Trauerfeier für den großen Alpinisten findet am Aschermittwoch, um 13.30 Uhr, in der katholischen Pfarrkirche St. Johannes Baptist statt. Danach erfolgt die Beisetzung.