von andreas pfeffer|DietmannsriedEtwas aufgeregt war Sofie Groß aus Dietmannsried vor ihrem Termin mit derAZschon. 'Jetzt werde ich auf meine alten Tagen noch berühmt', lautet ihr anfänglicher Kommentar. Nach einigen Minuten weicht die Skepsis aber der Freude und die inzwischen 88-Jährige erzählt über ihr erlebnisreiches - sowohl in sportlicher als auch in privater Hinsicht - Leben. Erst jüngst wurde die in Vils/Tirol in Österreich geborene und 1925 nach Überbach gezogene Seniorin vom TSV Dietmannsried für ihre 75-jährige Mitgliedschaft geehrt.
Talent vom Vater geerbt
'Mein Vater Albert Zwick war früher selbst ein guter Turner. Er hat mich bereits mit zehn Jahren ans Reck gebracht. Ich war mit meinem Vater viel auf Turnfesten und Meisterschaften unterwegs', beschreibt Sofie Groß ihre Anfänge als Turnerin. Nach ihrem Eintritt in die Turn-Abteilung des TSV Dietmannsried im Jahr 1933 wurde eine Frauen-Riege mit zehn Teilnehmern aufgebaut. Dafür war der damalige Oberturnwart und Förderer des TSVD, August Guter, mitverantwortlich.
Platz 30 beim deutschen Turnfest
'Wir waren eine der ersten Frauen-Turngruppen in der Gegend. Das war damals noch nicht verbreitet', erinnert sich Groß. Vor dem Krieg nahm sie an vielen kleinen Turnfesten im Allgäu (Oberstdorf, Pfronten, Marktoberdorf) teil und belegte dort auch in aller Regel vordere Plätze. Als Höhepunkt ihrer sportlichen Karriere empfand sie das deutsche Sportfest 1938 in Breslau in Schlesien (heute Wroclaw in Polen).
'Dort sind wir mit dem Auto hingefahren. Das war bei den damaligen Straßenverhältnissen schon eine Tortur. Wir haben fast zwei Tage gebraucht', sagt sie. Im Zehnkampf - dazu gehörten auch Leichtathletik-Disziplinen wie 100 Meter, Weit- und Hochsprung - der Oberstufe belegte sie Platz 30. Bei ihrer Rückkehr ins Allgäu wurde den Reisenden im Gasthof 'Keller' in Dietmannsried zwar kein roter Teppich ausgerollt, aber die vielen Anwesenden streuten Blumen auf dem Weg von der Straße zum Gasthof.
Während des Zweiten Weltkrieges gab es wichtigere Dinge als Turnen. Sofie Groß arbeitete nach ihrer Ausbildung beim Roten Kreuz als Krankenschwester in einem Lazarett in Kempten. Die Turnhalle in Dietmannsried war besetzt worden. Nach Beendigung des Krieges und der Räumung der Sporthalle wurde in Dietmannsried aber wieder Sport getrieben. Bereits 1946 nahm Sofie Groß an Meisterschaften - zum Beispiel in Augsburg, Schweinfurt oder Lindau - teil. Dabei erlebte sie Situationen, die sie nie vergessen hat. 'Damals fuhr der Zug ja nur bis Kempten. Eigentlich hätten wir bis Überbach laufen müssen. Aber die Amerikaner haben uns netterweise mit dem Jeep hingefahren', so Groß. Auch privat fand sie ihr Glück beim TSV Dietmannsried. Ihren Ehemann, selbst Fußballer beim TSVD, lernte sie dort kennen.
Wer wissen will, wer am 6. Mai 1954 bei der ersten offiziellen und von Sofie Groß geleiteten Frauen-Turnstunde beim TSV dabei war, sollte sich an die zweifache Mutter wenden. In ihrem Notizbuch stehen fein säuberlich die Namen aller Teilnehmerinnen und das absolvierte Programm.
Heutzutage verfolgt die lebensfrohe Sofie Groß das Geschehen beim TSV Dietmannsried noch mit großem Interesse und informiert sich auch über Zeitungen über die Neuigkeiten im Turnen generell. Heute wird sie dort auch etwas über sich selbst lesen können.