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Ein Biotop für Bekloppte

Lindenberg / München

Ein Biotop für Bekloppte

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    Ein Biotop für Bekloppte
    Ein Biotop für Bekloppte Foto: laura loewel

    Nach seinem Umzug vom schrillen Berlin ins vergleichsweise beschauliche München hat Georg Eggers nach einem "Biotop für Bekloppte" gesucht, wie er sagt. Fündig geworden ist der 1967 geborene Wortakrobat in der Poetry-Slam-Szene. Vor drei Monaten hat Grög! (sein Künstlername, also "Georg" rückwärts gesprochen), den Dichterwettstreit auf dem Lindenberger Stadtplatz gewonnen. Am morgigen Donnerstagabend tritt er erneut in der Bergstadt auf, beim Poetry Slam im Alten Kesselhaus der ehemaligen Hutfabrik Reich (Einlass 20 Uhr, Beginn 21 Uhr). Auf die Rückkehr ins Westallgäu freut er sich.

    Die Bundestagswahl, der erste Kuss oder Frauenfußball - welches dieser Themen eignet sich am ehesten für einen Poetry Slam?

    Georg Eggers: Die Bundestagswahl ist ein fantastisches Thema. Sie hat allerdings den kleinen Nachteil, dass sie bereits am Sonntag vorbei ist. Diesen Text könnte man nur einmal bringen, ehe er für immer in der Schublade verschwindet. Der erste Kuss ist tatsächlich etwas, was von einem großen Teil der Slammer thematisiert wird. Für mich ist das eher nichts, denn ich halte die glückliche Liebe für kulturell vollkommen wertlos. Beim Frauenfußball bewegt man sich immer auf dem Grat zum Sexismus. Da würde ich lieber den Männerfußball nehmen, da die Frauen derzeit ohnehin alles schaffen, was den Männern seit Jahren missglückt. Insgesamt wäre also doch die Bundestagswahl mein Thema der Wahl.

    Wie sieht denn der perfekte Text aus?

    Eggers: Den perfekten Text an sich gibt es ebenso wenig wie die perfekte Frau. Ein Text wird dadurch erst perfekt, dass er richtig interpretiert wird und dadurch das Publikum fesselt. Er muss zur Figur des Autors und zu den Zuhörern passen wie ein maßgeschneiderter Anzug. Insgesamt sind beim Poetry Slam die meisten Texte humoristisch, meist sehr absurd. Aber man muss sich immer fragen: Wer sitzt mir gegenüber?

    Bereiten Sie sich also speziell auf Ihre Auftrittsorte vor? Bekommen die Texte beispielsweise Lokalkolorit mit?

    Eggers: Aus sechs Jahren Poetry Slam habe ich ein gewisses Repertoire. Diese einstudierten Texte bilden das Gerüst meiner Auftritte. Was jedoch variiert, ist die Anmoderation. Darin versuche ich einzufangen, was das Publikum am jeweiligen Auftrittsort gerade bewegt und es für mich zu gewinnen.

    Und welche Erfahrungen haben Sie im Juni auf dem Stadtplatz mit dem Publikum in Lindenberg gemacht?

    Eggers: Das war ein sehr origineller Slam. Meist finden solche Veranstaltungen ja in dunklen Kellerkneipen statt. Der in Lindenberg war draußen im Freien. Und er hatte ein sehr gemischtes Publikum mit mindestens zweieinhalb Generationen, die zusammen auf den Bierbänken saßen und ganz offensichtlich alle ihren Spaß hatten. In meiner Heimatstadt München setzt sich das Publikum typischerweise schwerpunktmäßig aus Studenten zusammen.

    Wie entstehen Ihre Texte?

    Eggers: Ich habe ein Notizbüchlein und als moderner Autor auch ein Unterverzeichnis auf meiner Festplatte, wo ich Splitter und Fragmente sammle. Die meisten meiner Texte entstehen in Etappen: Erst die Idee, dann das Gerüst, dann die fertige Formulierung. Dass ich einen kompletten Text am Stück schreibe, kommt sehr selten vor.

    Humorvolle Inhalte kommen meist am besten an. Wie groß ist denn die Gefahr, dass ein Slammer vom intelligenten Wortakrobaten zum einfachen Witzerzähler verkommt?

    Eggers: Das ist tatsächlich eine Gratwanderung. Der Übergang vom Poetry Slam zu Stand-Up Comedy ist fließend. Auf lange Sicht gesehen muss ein Publikum seine Slammer deshalb selber erziehen. Die Zuschauer stimmen beim Slam schließlich selbst ab und entscheiden, wer gewinnt. Dadurch bestimmen sie auch, welche Art von Texten bei ihnen ankommt und können Niveau einfordern. Das hat dann natürlich auch Einfluss auf zukünftige Auftritte.

    Welchen Humor bevorzugen Sie?

    Eggers: Eine absurd-humoristische Pseudologik.

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