Eine schlanke junge Frau mit verträumten Augen, neben ihr ein gestandener Mann im dunklen Anzug – so zeigt das Hochzeitsbild das Ehepaar Genovefa und Sebastian Straub. Und auch sechs Jahrzehnte später, sind die beiden an ihrer Diamant-Hochzeit noch immer ein glückliches und 'g?standenes' Paar.
Wie sie sich kennengelernt haben? Da braucht Sebastian Straub (91) keine Sekunde nachzudenken: 'Bei uns ging die Liebe sozusagen durch den Magen, denn sie arbeitete als Hausmädchen und ich als Käser in der Sennerei Baldratsried bei Seeg'.
Ja, und bis zu diesem Punkt hört sich die Geschichte wie eine nette Freundschaft unter Kollegen an. Wenn, ja wenn die beiden jungen Leute nicht Kost und Wohnung im Hause ihres Chefs gehabt hätten – und sich so jeden Mittag am Esstisch gegenübergesessen wären. Oder hatte gar Liebesgott Amor seine Hand im Spiel? 'Sicher ist, dass so nach und nach aus unserer Kollegschaft eine Liebschaft wurde', schmunzelt Sebastian Straub. Und dass er ein zielstrebiger Mann war, bewies sich im Jahre 1952, da machte der Ostallgäuer Senn zuerst seine Meisterprüfung und führte am 15.
November in der Crescentia-Kirche in Kaufbeuren seine hübsche Kollegin zum Traualtar. 'Es war eine kleine Hochzeit', erinnert sich Genovefa Straub (84). Freilich, ergänzte Ehemann Sebastian, 'unsere Hochzeit war klein, mit viel Schnee und einer kalten Sonne, aber nach Jahren als Soldat im Zweiten Weltkrieg, mit anschließender Kriegsgefangenschaft habe das gemeinsame Jawort auch für eine bessere Zukunft gegolten.
Und diese bessere Zukunft begann umgehend, als der frischgebackene Ehemann in Memhölz-Ried eine aussichtsreiche Anstellung samt Wohnung in der Sennerei hoch über dem Niedersonthofener See bekam und dort 17 Jahre lang mit seiner Familie lebte.
Ein zufriedenes Lächeln überzieht das Gesicht von Sebastian Straub, als er sich entsinnt, dass es neben viel Arbeit – auch samstags und sonntags – tagtäglich jede Menge Spaß gegeben habe. 'Denn damals war so eine abgelegene Sennerei eine Art Nachrichtenbüro für die anliefernden Milchbauern, die gerne blieben und Neuigkeiten aus den Dörfern reihum erzählten'. Noch einmal wechselte Käsermeister Straub seine Arbeitsstelle, war 15 Jahre lang im Großbetrieb 'Allgäuer-Emmentaler-Werk' in Kimratshofen tätig, half nach Feierabend beim Neubau seines Heimes in Altusried mit, während seine Ehefrau Genovefa als Büglerin dazu beitrug, den Familien-Etat aufzustocken.
1984 tauschte der inzwischen 63-jährige seine Arbeitsstelle mit dem 'Ruhestandsbänkle'. Dies scheint jedoch bis heute kaum besetzt zu sein. 'Weil ich halt au in der Rente beim Markieren der Wanderwege, dem Auf- und Abbau der Freilichtbühne und beim Schaukäsen guat beschäftigt war', erzählt der agile Rentner, der regelmäßig radelt, kegelt und schießt.
Wen wunderts da, dass der 91-Jährige in diesem Jahr Schützenkönig geworden ist, sich auf Skiabfahrten und winterliche Langlaufrunden freut und jeden Morgen mit einer ausgiebigen Frühgymnastik beginnt?
Dagegen zieht Ehefrau Genovefa ein ruhigeres Seniorenleben vor. 'Nach den zahlreichen gemeinsamen Berg- und Skitouren genieße ich nun das Zuhausesein', erzählt sie. Sie freut sich auf die Besuche des Nachwuchses – drei Kinder, sieben Enkel und sieben Urenkel – zur Diamanthochzeit.