Kempten (sh). - Was hat eine 13-Jährige nachts um ein Uhr auf der Straße zu suchen - dazu noch rauchend und alkoholisiert? Fragen, die - wie am Samstag berichtet - ein Prozess gegen einen 23-Jährigen aufgeworfen hat. Der Mann war zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil er nachts in einer Grünanlage Sex mit dem Mädchen gehabt hatte. Angezeigt worden war der Fall von der Mutter der 13-Jährigen. Aber: Hat sie sich nicht selbst etwas zuschulden kommen lassen, indem sie ihre Tochter nachts nach draußen ließ? Und: Kann die Frau dafür belangt werden?Vermutlich nicht, so erklären Polizei und Jugendamt. Vereinfacht ausgedrückt ist es nämlich meistens Privatsache der Eltern, wie lange der Nachwuchs im Freien unterwegs ist. Kinder, die nachts in der Stadt erwischt werden - das gibt es immer wieder, erklärt Polizeisprecher Christian Owsinski: 'Wir nehmen sie mit zur Dienststelle und rufen die Eltern an, damit sie ihre Sprösslinge abholen.'Ein Fall fürs Jugendamt werden diese Kinder und Jugendlichen ihm zufolge aber nicht automatisch. Denn: Es ist eigentlich nicht verboten, dass sich Kinder und Jugendliche nachts draußen aufhalten. Das Jugendschutzgesetz nämlich greift laut Owsinski nur an Orten wie zum Beispiel Kneipen oder bei Tanzveranstaltungen und regelt darüber hinaus die Alkoholabgabe an Minderjährige. Das heißt: Wenn ein Wirt nachts Kinder in seine Gaststätte lässt, verstößt er gegen das Jugendschutzgesetz. Wenn dagegen Eltern ihre Kinder nachts auf die Straße lassen, haben sie in der Regel nichts Unrechtes getan. So können Eltern ihren Sprösslingen laut Polizeisprecher Owsinski erlauben, mit Freunden zu zelten.
Allerdings: Es gibt einen Paragrafen, der sich mit der 'Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht' beschäftigt, die bis zu drei Jahre Haft nach sich ziehen kann. Dieser Paragraf wird aber laut Peter Koch von der Staatsanwaltschaft nur angewandt, wenn eine 'konkrete und erhebliche Gefahr' für die Entwicklung des Kindes besteht (zum Beispiel durch Prostitution). 'Da reicht es nicht aus, dass eine 13-Jährige einmal nachts draußen unterwegs war', erklärt er. Die landläufig bekannte 'Aufsichtspflicht' entstammt laut Polizeisprecher indessen dem Zivilrecht und kommt beispielsweise zum Tragen, wenn Minderjährige Schaden angerichtet haben. Sei dagegen Alkohol im Spiel, sehe die Sache schnell anders aus. 'Dann schicken wir eine Mitteilung ans Jugendamt', erläutert Owsinski. Und dann gehe es auch um die Frage, wie die Jugendlichen an den Alkohol gekommen sind. Im Fall der 13-jährigen Schülerin sei es durchaus möglich, dass das Jugendamt eingeschaltet wurde.'In den Ferien kommt es häufig vor, dass Kinder nachts draußen sind', weiß auch Matthias Haugg, Leiter des Stadtjugendamts. Handlungsbedarf gebe es deshalb aber nicht unbedingt. Wird das Jugendamt eingeschaltet, setze man zunächst auf eine Zusammenarbeit mit den Eltern. 'Man kann nicht mit dem Dampfhammer draufhauen, sondern muss mit Fingerspitzengefühl vorgehen', so Haugg. Ist ein Kind dagegen akut gefährdet, kann das Amt härter durchgreifen. 'Zum Beispiel sorgen wir dann dafür, dass das Kind in Obhut genommen wird', erläutert Haugg.