Der Minister - die Ministerin. Das soll in Zukunft auch beim "Gast" gelten. Der Duden - er gilt als Standard-Wörterbuch der deutschen Sprache - hat jetzt die weibliche Form "Gästin" aufgenommen, als "weibliche Form zu Gast", wie es im Eintrag auf der Duden-Webseite heißt. Für wen ist das relevant? Zum Beispiel für die Tourismus-Branche und damit auch in besonderem Maß für das Allgäu.
Allgäu GmbH versucht, neutral zu formulieren.
Die Allgäu GmbH, offizielle Dachorganisation für Tourismus im Allgäu, nimmt das Thema Gender-Neutralität in der Sprache sehr ernst, bestätigt Pressesprecherin Simone Zehnpfennig auf Nachfrage vonall-in.de. "Auf unserer Webseite reden wir unsere Leser und Leserinnen direkt an. Zudem versuchen wir neutral zu formulieren", so Zehnpfennig. "Gästin" als weibliche Form zu "Gast" findet sie allerdings nicht passend, weil es "absolut nicht im Sprachgebrauch verankert ist, anders als Gastgeber / Gastgeberin, Frisör/ Frisörin oder Gründer / Gründerin."
Elegante Lösung: "Urlauberin" statt "Gästin"
"Wie gehen wir dann mit Mensch um, wird es zu Menschin?", fragt Zehnpfennig und liefert die sprachlich elegante Lösung gleich mit: "Ich würde dann stets versuchen, aus dem Gast einen Urlauber zu machen. Denn hier kann ich von der Urlauberin sprechen. Dann habe ich keinen Tagesgast, sondern einen Tagesausflügler und Tagesausflüglerin."(Anm. der Redaktion: Auch "Menschin" steht im Duden, gilt dort aber als "selten, meist scherzhaft" verwendet.)
Allgäu GmbH nutzt Gender-Sternchen
Die Allgäu GmbH hat sich in der schriftlichen Kommunikation grundsätzlich fürs Gender-Sternchen (z.B. Mitarbeiter*innen) entschieden. In Pressetexten versucht Zehnpfennig allerdings die Sternchen zu umgehen. Sie schreibt "lieber beide Formen aus, vor allem weil man so die bessere grammatikalische Form wahren kann."
"Gästin" - nichts für das ländlich geprägte Allgäu?
Genderneutrale Sprache: Eher ein Thema für Großstädte wie Berlin oder Hamburg, weniger für das ländlich geprägte Allgäu? "Ja, ich denke hier ist ein großer Unterschied", sagt Zehnpfennig. "Das Allgäu ist eine traditionsbewusste Region, die zwar sehr aufgeschlossen und innovativ ist, in der man aber auch ein Sprichwort beherzigt: 'Bloß it hudla' - nichts überstürzen - und das gilt auch für die langsame, aber dann nachhaltige Änderung im Sprachgebrauch." Was man unter anderem daran erkennen könne, dass sich im Allgäuer Dialekt für "Tochter" noch der lateinische Wortstamm Filia erhalten habe: "Fehl /Föhl oder im Plural Fehla / Föhla. Oder jemanden 'eschtimieren' - jemanden schätzen vom Französischen 'estimer quelqu´un'...", beschreibt sie Allgäuer Sprach-Eigenheiten.
Tourismus hat momentan andere Probleme als das Wort "Gästin".
Eine Empfehlung an touristische Einrichtungen im Allgäu, ob man die "Gästin" einführen soll oder nicht, gibt die Allgäu GmbH nicht. Vor allem momentan, weil "wir zunächst andere Probleme zu lösen haben. Viel wichtiger dürfte sowohl den Urlauber*innen und Gastgeber*innen sein, überhaupt wieder verreisen zu können." Dennoch betont Pressesprecherin Zehnpfennig: "Wir nehmen Gendern ernst, im Sprachgebrauch wird es aber einfach dauern."
Ein neues Wort in die Sprache aktiv einführen: Linguisten sehen das teilweise problematisch.
Sprachwissenschaftler sehen die Gender-Lösungen unterschiedlich. Einerseits sollen weibliche Wort-Formen die Frau gleichstellen, andererseits bedeutet ein Wort wie "Gästin" einen aktiven Eingriff in den Sprachgebrauch. Es handele sich hier quasi um die Neu-Erschaffung eines Wortes, das es vorher nicht gab. Normalerweise etablieren sich Wörter, beispielsweise aus einer anderen Sprache, über einen langen Zeitraum, bis sie tatsächlich auch "offiziell" in den Sprachgebrauch aufgenommen und dann auch als zum deutschen Wortschatz zugehörig empfunden werden. Bei "Gästin" sei das eben genau anders herum und daher ein problematischer Eingriff in die Sprache.
Die "Gästin": So begründet der Duden.
Der Duden allerdings nennt in seiner Begründung der "Gästin" historische Beispiele. Die "Gästin" sei keineswegs weiblicher Sprachemanzipation geschuldet – ganz im Gegenteil: "Gästin gehört zu den weiblichen Formen, die – wie auch die Engelin oder die Geistin – bereits im Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm aufgeführt und mit zahlreichen Belegstellen unterfüttert wurden. Auf dem Weg vom späten 19. ins 21. Jahrhundert war sie aus der Alltagssprache verschwunden: Umso erfreulicher, dass sie jetzt wiederentdeckt wurde und ihren Sprachplatz wiedererobert."