Mit einem Schuldspruch wegen Besitzes und unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln endete vor dem Jugendschöffengericht ein Prozess gegen einen 20-jährigen Kaufbeurer. In seiner Wohnung hatte die Polizei im November 2011 knapp 140 Gramm Haschisch gefunden. Das Rauschgift war nach Angaben des Angeklagten zum Eigenkonsum bestimmt. Er wollte damit offenbar Schmerzen und Angstzustände bekämpfen, unter denen er seit einem schweren Arbeitsunfall leidet. Der junge Mann gab außerdem zu, in fünf Fällen jeweils ein Gramm Haschisch zum Selbstkostenpreis an Bekannte abgegeben zu haben. Diese Darstellung war für das Gericht jetzt zumindest nicht ausschließbar. Es ging deshalb in diesem Anklagepunkt nur von einer unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln aus – und nicht, wie ursprünglich angeklagt, von einem Handel. Angesichts der Menge des beim Angeklagten gefundenen Rauschgifts und einer Weitergabe an Dritte hielt das Gericht im Urteil die Verhängung einer Jugendstrafe für geboten.
Diese wurde auf neun Monate festgelegt und zur Bewährung ausgesetzt. Dem Angeklagten wurde zur Auflage gemacht, sich jeden Konsums von nicht ärztlich verschriebenen Betäubungsmitteln zu enthalten und dies durch regelmäßige Drogentests zu belegen. Außerdem muss der junge Mann, der sich derzeit um eine Therapie bemüht, diese antreten und erfolgreich beenden. Die Entscheidung ist noch nichts rechtskräftig.
Der Verteidiger war im Plädoyer der Ansicht gewesen, dass erzieherische Maßnahmen ausreichen würden. Er beantragte eine richterliche Verwarnung samt Geld- und Arbeitsauflagen sowie Gesprächstermine bei der Suchtberatung.
Der Fall seines Mandanten, so der Anwalt, weiche insbesondere deshalb deutlich vom Normalfall ab, weil der Drogenkonsum des jungen Mannes durch 'einen schrecklichen Arbeitsunfall' ausgelöst worden sei. Das Unglück und die Folgen hatte der Angeklagte wie folgt geschildert: Im Sommer 2009 habe er gemeinsam mit einem Kollegen Malerarbeiten in einem Silo ausführen sollen. Plötzlich sei die Plattform gekippt, auf der sie beide standen. Die Männer stürzten mehrere Meter in die Tiefe und erlitten schwerste Verletzungen.
Der Angeklagte trug Brüche im Gesicht und an der Hüfte davon und musste mehrfach operiert werden. Er konnte seine Ausbildung nicht mehr fortsetzen und leidet bis heute unter Angstzuständen und starken Schmerzen. Dass er gegen Letztere mit Morphium behandelt wird, ging aus seinem Schmerzpatientenausweis hervor. Gerade dieser Umstand war für den Richter im Urteil ein Beleg dafür, dass der junge Mann zur Schmerzbekämpfung nicht auf Rauschgift hätte zurückgreifen müssen: Kein Medikament sei stärker als ein Opiat – 'und erst recht kein Cannabis'. Zugunsten des Angeklagten stellte das Gericht beim Strafmaß den 'schweren Schicksalsschlag' durch den Unfall in Rechnung. Der Vorsitzende machte deutlich, dass die Strafe ohne diesen Hintergrund deutlich höher ausgefallen wäre.