Von Reinhold Löchle Marktoberdorf Am Schaufenster ist zu lesen: 'Ihr Friseur für die ganze Familie'. Genausogut könnte dort stehen: 'Die ganze Familie ist hier Ihr Friseur'. Schließlich kümmern sich im Salon Jenczmyk an der Schwabenstraße in Marktoberdorf gleich drei Generationen einer Familie um die Kundschaft: Mutter (oder Großmutter) Elisabeth Jenczmyk, Tochter (oder Mutter) Conny Holzmann und Enkelin (oder Tochter) Natalie. Und zwei davon feiern heute Geburtstag …Auch heute sind sie alle drei im Geschäft - obwohl Seniorchefin Elisabeth ihren 80. Geburtstag feiert - und ihre Enkelin Natalie, die seit Herbst 2005 im Salon ihre Ausbildung absolviert, 17 wird. Den Salon deshalb zusperren? Solche Überlegungen scheinen der agilen Achtzigerin, die mehr Temperament als mancher Teenie zeigt, fremd zu sein. Jedenfalls kündigte sie zu ihrem Geburtstag an, im Salon eine Art Buffet mit Kaffee, Kuchen und Sekt für die Kunden aufzubauen - 'da machen wir Party'.Überhaupt scheint Elisabeth Jenczmyk nach wie vor Regie zu führen in ihrem 1969 eröffneten, damals für viel Geld eingerichteten Salon, nachdem sie zunächst nebenan vier Jahre ein Friseurgeschäft betrieben hatte. Sie betont aber, sie verstehe den Betrieb als Gemeinschaftswerk, als Familienbetrieb. Ihr liegt viel daran, dass das von der Kundschaft auch so erlebt wird. Eben die familiäre Atmosphäre und dazu der freundliche Service seien mit ein Grund für viele Kunden, hier und nicht irgendwo anders ihre Haare schneiden zu lassen, sind sich die beiden Friseurmeisterinnen Elisabeth Jenczmyk und Tochter Conny Holzmann sowie Jung-Azubi Natalie einig. Und die Chefin macht klar: 'Ich will, dass dieses Geschäft ein Familienbetrieb bleibt'. Dafür stehen die Chancen nicht schlecht. Schließlich gefällt Enkelin Natalie der Job sehr gut: 'Das war mein Traumberuf von klein an.'
'Fühle mich nicht wie 80…'Für alle gilt: Jeder macht alles, bedient Damen wie Herren. Freilich hat jede ihren speziellen Kundenkreis. So lassen sich die Bekannten von Natalie am liebsten von dieser selbst das Haar schneiden, und die Seniorchefin hat ihre ältere Stammkundschaft. Im Übrigen gehört noch eine Mitarbeiterin zu dem Drei-Mäderl-Salon, der mit seinen im romantischen Schnörkel-Stil gehaltenen Rundbögen, glitzernden Bordüren, Tapeten und Vorhängen im krassen Gegensatz zu den heute oft anzutreffenden High-Tech-Läden steht. Aber mit 80 noch den ganzen Tag im Salon stehen? 'Solange ich noch gefragt bin, so lange gefällt es mir hier', meint die zierliche Frau mit der blonden Wasserwelle und hinterlässt dabei nicht den Eindruck, als ob sie schon ans Aufhören denke. 'Ich fühle mich auch gar nicht wie 80', sagt sie, die bereits 1950 den Meisterbrief erwarb und schon lange den Goldenen Meisterbrief besitzt. Nur bei viel Stress denke sie manchmal an den Ruhestand. Aber das ist dann auch schnell wieder vergessen. Eigentlich stammt Elisabeth Jenczmyk aus dem Westerwald. Doch in jungen Jahren - damals betrieb sie schon selbständig einen Friseurbetrieb in Elkenroth - machte sie Urlaub in Pfronten - und verliebte sich 'in die Berge und Seen im Ostallgäu'. Bald wurde diese Sehnsucht so stark, dass sie nach Marktoberdorf umzog und hier einen Betrieb gründete. 1971 erhielt sie Unterstützung durch ihre Tochter, die damals ihre Lehre begann. Eines hat sich, so die Beobachtung der beiden Meisterinnen, in all der Zeit deutlich geändert: Die Menschen gehen seltener zum Friseur. So tönten oder färbten heutzutage viele zu Hause ihr Haar. Auch sind aufwändige Frisuren nicht mehr so gefragt. Überhaupt vermisst Elisabeth Jenczmyk die einst so gepflegte künstlerische Seite an ihrem Beruf. Doch im Grunde genommen wiederhole sich die Haarmode immer wieder, sind sich alle einig. Und sieht man von bestimmten Techniken - zum Beispiel wie man Perücken knüpft oder Dauerwellen in kochend Wasser legt - ab, so 'ist alles was ich einst gelernt habe, heute noch ,in‘', ist sich die Jubilarin sicher.