Nachbarschaftshilfe ohne Geld nimmt auch im Allgäu zu. Von Stefan Binzer Kempten/Memmingen/Waal Verrechnet wird in 'Talenten', in 'Cambos' oder in 'Dätsch\'mer Talern'. Diese Währungen existieren allerdings nicht im Geldbeutel sondern nur auf dem Papier. Honoriert werden damit Leistungen, vor denen Frau Meier graut, die jedoch Herrn Müller leicht von der Hand gehen: Rasenmähen zum Beispiel oder Holzhacken. Herr Müller braucht dafür jemand, der den Computer einstellen kann und findet ihn in Herrn Schulze: das gegenseitige, geldlose Aushelfen ist in Tauschringen organisiert. Und davon gibt es auch im Allgäu immer mehr.
Das Ganze funktioniert nicht Angebot gegen Angebot, sondern über eine Art Pool. Wer eine Dienstleistung anzubieten hat, trägt sich im Tauschring in eine Liste ein. Eine zweite Liste enthält die Wünsche. So kann sich jedes Mitglied die Angebote heraussuchen, die es benötigt.
Damit jedoch ein potenzieller Schmarotzer nicht nur nimmt und selbst nichts gibt, muss irgend eine Verrechnungsgröße her. Wobei der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. In Kempten, wo seit einigen Jahren ein Tauschring existiert, heißt die Währung 'Cambo' in Anlehnung an die alte Römersiedlung Cambodunum. 'Eine Stunde Arbeit sind bei uns vier Cambos', erklärt Martin Slavicek. Honoriert wird nur die Zeit, die für eine Arbeit aufgewendet wird egal welche Qualitäten den einzelnen Leistungen anhaftet. So ist eine Stunde Bügeln genau so viel wert, wie eine Stunde Fahrrad-Reparieren oder eine Stunde Kinder hüten.
In Waalhaupten (Ostallgäu) rechnet der dortigen Tauschring in 'Talenten' ab. Auf dem Land würden sich die Leute zwar noch gegenseitig kennen und helfen. 'Aber es ziehen immer mehr Menschen zu, die nicht wissen, welche Talente die Nachbarn haben', spricht Anke Schrey die Wissenslücke an, die der Tauschring schließen kann. Im Augenblick sind die Mitglieder aus der Waaler Gegend noch an den Tauschring Landsberg angeschlossen. Wenn der Zuspruch jedoch anhält, denkt Anke Schrey an die Gründung eines eigenen Tauschrings.
Über 400 Tauschringe existieren bundesweit. Einer davon besteht seit 1999 in Sontheim (Unterallgäu). Der einmalige Mitgliedsbeitrag kostet wie bei den meisten anderen Tauschringen auch fünf Euro. Dafür gibt\'s dann Einblick in die Listen oder alle Vierteljahr sogar eine eigene kleine Zeitung. Faulenzer sind aber überall unerwünscht: 'Kein Mitglied darf mehr als 15 Minusstunden auf seinem Konto haben', erklärt Hannelore Kral aus Sontheim.
Demnächst kommt in Memmingen ein weiterer Tauschring hinzu. Am 14. März gründet sich in der Maustadt 'Nimm & Gib' wie üblich kein Verein, sondern nur ein loser Zusammenschluss Gleichgesinnter.
Dass die Sache oft an einzelnen Personen hängt, zeigt das Beispiel im Westallgäuer Lindenberg. Dort hatte sich 1997 ein Tauschring gegründet, dessen Währung der 'Dätsch\'mer Taler' war (übersetzt etwa: würdest Du mir bitte helfen). Als die Initiatoren später wegzogen, schlief die Leistungs-Börse in der Hutmacherstadt wieder ein.