Der kunstbesessene Friseur Bergmann geht in 'Ruhestand' Von Vitalis Held Marktoberdorf Als der Marktoberdorfer Heinz Bergmann 24 Jahre alt war, wollte er in die große, weite Welt hinaus. 1967 machte sich der frisch gebackene Friseurmeister auf nach England, um dort in seinem Traumberuf zu arbeiten. Doch am 7. April 1968 wurde er bei einem Verkehrsunfall in England schwer verletzt. Erst neun Monate später kehrte er nach Marktoberdorf zurück an den Rollstuhl gefesselt. Seinem Beruf blieb er dennoch treu und machte sich selbstständig. Bis heute. Denn zum Jahresende übergibt der Friseur Bergmann seinen 'Salon Heinz' und gönnt sich mehr Zeit für die Kunst.'Eine Tür geht zu, eine andere geht auf', beschreibt Bergmann, was durch seinen Unfall passierte und was nun wieder passiert. Als er behindert in seine Heimatstadt zurückkehrte, erfuhr er große Unterstützung von vielen Seiten. Sein Chef, Hermann Bloching, bot ihm an, das Friseurhandwerk in seinem Salon weiter auszuüben. 'Probiers einfach', lud er den früheren Mitarbeiter ein. Und ein Jahr nach seinem Unfall richtete Bergmann wieder die Haarpracht seiner Kunden.1987 bekam Bergmann die Chance, gleich den ganzen Salon zu übernehmen. So wurde er Chef im 'Salon Heinz'. Da er wegen seiner Behinderung wiederholt ins Krankenhaus musste, trat er in den vergangenen Jahren immer kürzer. Nun sah er den richtigen Zeitpunkt, sich aus dem Berufsleben zu verabschieden, zumal er mit Annette Voigt eine gute Nachfolgerin gefunden zu haben glaubt. Doch das Friseurhandwerk genügte ihm ohnehin schon lange nicht mehr. Sein Sinn für die Schönheit beschränkte sich nicht nur auf die Köpfe unter den Trockenhauben.
Auch die Kunst hatte es ihm stets angetan. Seit 1984 besucht er regelmäßig Sommerakademien in der Toskana. Erstmals trat er als Maler 1989 im 'mobile' an die Öffentlichkeit. Auch die Volkshochschul-Kurse bei dem in Bernbach lebenden italienischen Bildhauer Gaetano Gizzi prägten ihn. Dazu kommen Zeichen- und Modellierkurse. Seine ausdrucksstarken Bilder beschreibt er als 'farbenfroh und sehr bunt, nicht so trist', denn er versuche stets positiv zu denken. Immer wieder zeigt er seine Werke zusammen mit anderen Künstlern, beispielsweise bei den 'Wir hier'-Ausstellungen im Rathaussaal. Kein Wunder, dass sich Bergmanns Kreativität in seinem Haus in Balteratsried niederschlägt. Die Wände sind voll mit eigenen Gemälden und Bildern von befreundeten Künstlern. Auf den Schränken stehen Skulpturen.'Die Kunst gibt mir viel, weil ich vieles andere nicht mehr machen kann', meint Bergmann. Er beschränkt sich dabei nicht nur auf die Malerei. Die Wagner-Büste auf seinem Piano ist ein Bekenntnis zu seiner großen Verehrung für den Nibelungen-Komponisten: 'Fast jedes Jahr fahre ich nach Bayreuth zu den Festspielen', erzählt er. Zum Abschied aus dem Berufsleben gönnt sich Bergmann einen Konzertbesuch am Neujahrstag. Wenn er am heutigen Samstag letztmals als Chef die Tür seines 'Salon Heinz' zumacht, öffnet sich also die Tür zu seiner großen Leidenschaft. Wenn das 'Geschäft' aus den Gedanken verschwindet, so hofft Bergmann, wird der Kopf freier für neue Bilder. Diese entstehen im 'Atelier' im Keller seines Hauses. Dort haben auch seine Perücken Platz gefunden. Denn weiterhin will er seinen Job als 'Theater-Friseur' bei den Fasnachts-Abenden im Modeon behalten. Und beim Kolping-Silvester-Theater sorgt er nicht nur für die Haarpracht, sondern auch für die Bilder in der Bühnenwohnung der 'Familie Hannemann'.