'Schnittpunkt des Schönen': 1933 entwarf Architekt Lois Welzenbacher das fortschrittliche 'Haus Wechs' in Hindelang Von unserer Mitarbeiterin Irmtraud Brunk Hindelang Was rund ist in einer architektonischen Umgebung des rechten Winkels, fällt auf. Noch heute zieht das kleine Wohnhaus des ehemaligen Hindelanger Bergführers Willi Wex in Bad Oberdorf die Blicke auf sich. Kaum zu glauben, dass dieses hufeisenförmige weiß verputzte Gebäude bereits 1933/34 von dem Architekten Lois Welzenbacher gebaut wurde. Heute steht es unter Denkmalschutz. 'Mit seinen Rundungen eckte Welzenbacher zu seiner Zeit an', charakterisiert der Sonthofener Architekt Reiner Kliebhan bildhaft das fortschrittliche Bauen Welzenbachers.
Welzenbacher, 1889 in München geboren und 1955 gestorben, baute in Hindelang auch das Kinderheim Ehlert, das in den 70er Jahren abgerissen wurde, sowie das Terrassenhotel Oberjoch (heute vom Alpenverein genutzt). Über diese Projekte ist er wohl mit dem Bergführer Willi Wex (es existiert auch die Schreibweise Wechs) bekannt geworden und hat ihm dessen Wohnhaus unterhalb der Jochstraße entworfen. Es spricht für den aufgeschlossenen Charakter des Bergführers, dass er den originellen Entwurf ausführen ließ. Wex war ein bekannter Bergsteiger und Bergführer mit zahlreichen Erstbegehungen. Er schriftstellerte auch und war ein echter Allgäuer 'Mächeler' mit Patenten für einen Langlauf- und Wanderski. Nach einem Lawinenunfall in den 40er Jahren wurde ihm ein Bein amputiert und er musste seine restlichen Lebensjahre im Rollstuhl verbringen.
Was Welzenbacher bei seinen öffentlichen und privaten Bauten ganz wesentlich interessierte, hat er selbst so formuliert: 'Die Natur nicht als Attrappe um das Haus herum, sondern das Haus als sonneatmender Organismus mit seinen Organen den Tageszeiten zugewandt, gelockert in der Gliederung des Grundrisses, mit großen Ausblicken in die Landschaft, ein gleichsam zum Wesen erhobener Schnittpunkt all des Schönen'. Die Topographie des Geländes in Bad Oberdorf regte Welzenbacher zu einem hufeisenförmigen Grundriss an. Die Front erhebt sich halbrund, wie ein Pilz behütet von dem vorgezogenen Dach, das die halbrunde Form wiederholt und betont und nach hinten dann in einer geraden Linie in leichter Neigung abfällt. Diese dynamisch fließende Form wird verankert durch einen seitlich hochgezogenen Kamin und im Innern beantwortet durch einen gegenläufige Wendeltreppe, die sich vom Keller ins Obergeschoss zieht. Auch im Wohnraum wird die Rundung der in Ziegelbauweise erstellten Außenwände besonders spürbar durch fächerförmig geführte tragende Deckenbalken. Die Fenster sind klein gehalten, was den Eindruck einer gemütlichen Höhle unterstützt.
Die Front zeigte ursprünglich einen Balkon in fast zierlicher Bauweise, der von den späteren Besitzern vergrößert und stabilisiert wurde. Aber wer könnte das verdenken angesichts der atemberaubenden Aussicht auf Imberger Horn, Breitenberg, Rotspitze und das Retterschwanger Tal dazwischen. Besonders beeindruckt die Hindelanger Architektin Susanne Fügenschuh an Welzenbachers Entwurf, dass die Außenbewegung nach Innen weitergeführt und begehbar wird. Frei von heimattümelnden Zitaten habe Welzenbacher mit seiner komplexen, dynamischen Architektur das neue, freiheitsorientierte Lebensgefühl seiner Zeit auszudrücken versucht. Dabei seien seine dynamischen Formen kontrovers diskutiert und kritisiert worden. Die heutige Besitzerfamilie nutzt das Haus fast permanent als Feriendomizil.