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Die Hinrichtung im Bannwald

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Die Hinrichtung im Bannwald

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    Von Markus Brändle, Wineden - Sonnig-heiß ist der Nachmittag, da kommt ein bisschen Schatten gelegen. Wir stehen am Grab von Josef Janovsky. Am Rande des Friedhofs von Markt Rettenbach. 'D'r Josef' Halblaut-schwäbisch murmelt Konrad Kößler den Vornamen. Sprengt mit den Fingerspitzen ein paar Tropfen Weihwasser über die sorgfältig gepflegte Grabstelle. Konrad Kößler ist 75, Altbauer und Altbürgermeister von Wineden, dem früher selbständigen Ortsteil von Markt Rettenbach. Ein gestandenes Mannsbild, in fast allen Vereinen in der Gemeinde aktiv, tief verwurzelt im Dorfgeschehen. Sechs Jahre lang war er Bürgermeister in Wineden, 36 Jahre saß er im Gemeinderat. In seinem Leben hat er manches aushalten müssen. Eine Kuh hat ihm vor fast 30 Jahren mit dem Horn ein Auge ausgestochen. Doch ein Ereignis wirkt bei Konrad Kößler besonders eindringlich nach. Deshalb wird er am Grab von Josef Janovsky auch ganz still. Die Gedanken gehen 60 Jahre zurück. Da haben sie ihn hingerichtet, den Josef Janovsky, im Bannwald bei Wineden. Die Gestapo war gekommen, hatte den 22-jährigen polnischen Leiharbeiter mitgenommen. Aus Gründen der Abschreckung waren weitere 35 polnische Landarbeiter auf Lastwagen angekarrt worden. Sie mussten der Hinrichtung beiwohnen. Zwei deutsche Sträflinge, die man vom KZ Dachau hergefahren hatte, mussten die Hinrichtung vollziehen.

    da weinte er herzzerreißend In einem Buch des Heimatautors Alfred Kober aus Oberbleichen ('Amüsantes und Nachdenkliches', Selbstverlag) lässt sich Konrad Kößler zu diesem Vorfall so zitieren: 'Als Josef Janovsky schließlich die große Schar von Landsleuten sah, wusste er, dass seine letzte Stunde geschlagen hatte. Trotz seiner Bartstoppeln konnte man die Blässe in seinem Gesicht erkennen. Josef schien mir um Jahre gealtert zu sein. Als sich unsere Blicke begegneten, weinte Josef herzzerreißend. Auf die Äste zweier Eichen war ein Holzbalken gelegt worden. () Eine rechteckige Kiste, die wohl als Sarg dienen sollte, stand in der Nähe. Ein sägbockähnliches Podest bildete die Plattform, auf die sich Josef stellen musste. Man legte ihm die Schlinge um den Hals. Anschließend stieß man das Podest zur Seite. Viele Zuschauer weinten, einige polnische Frauen schrieen laut auf und bekreuzigten sich.' Als Josef Janovsky, 'dr Pola-Jodel', wie sie ihn in Markt Rettenbach nannten, hingerichtet wurde, war Konrad Kößler 14 Jahre alt. 16 Monate lang hatte Josef Janovsky geholfen, den 'Klausabaurahof' umzutreiben, als willkommene Arbeitskraft. Mutter Kößler musste den Hof mit ihrem 14-jährigen Sohn durchbringen, der Vater war gestorben, die Brüder von Konrad Kößler waren im Kriegseinsatz. Ohne Vollstreckungsbefehl, ohne Todesurteil haben sie den jungen Polen damals vom Leben zum Tod gebracht. Immer wieder war Josef Janovsky mit den damals herrschenden (Unrechts-) Gesetzen in Konflikt geraten. Er hielt sich nicht an die Auflage, nur bis 22 Uhr auszugehen und dabei ein 'P' in gelber Farbe am Revers zu tragen. 'Fast jeden zweiten Tag erschienen Beamte vom Polizeiposten Markt Rettenbach auf unserem Hof', erinnert sich Konrad Kößler. Gründe dafür gab es: Josef Janovsky war ein Hitzkopf, er stellte jungen polnischen Frauen nach, die als Leiharbeiterinnen in der Gemeinde tätig waren und sich vor ihm verstecken mussten; er drohte einen Rivalen, ihn zu erschießen. Kurzum: 'Dr Pola-Jodel' war temperamentvoll, 'ein furchtbarer Siach', sagt Konrad Kößler, 'einmal hat er auch mir das Messer reinghaut'. Ehe er nach Wineden gekommen war, musste Josef Janovsky wegen eines Totschlag-Deliktes in Polen vier Monate ins Gefängnis. Die Strafe war damals nur deshalb so gering ausgefallen, 'weil Deutschland dringend Arbeitskräfte benötigte'. Gleichwie: Die Verstöße, die sich Janovsky in Markt Rettenbach zuschreiben lassen musste, waren nicht so schwerwiegend, dass sie seinen Tod auch nur annähernd hätten rechtfertigen können. Sagt Konrad Kößler und betont, dass ihn der Tod von Josef Janovsky stärker mitgenommen habe als all das, war er später selbst im Krieg und bei Partisanenkämpfen erlebt habe.

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