Von Ingrid Grohe |LindenbergEs liegt eine Heiterkeit über den Bildern von Dr. Karl-Bernhard Netzband, obwohl sie teilweise sehr düstere Botschaften verkünden. Von einer vergifteten Erde, von zerfallenen Städten, von der Endzeit, in welcher der Mensch keine Rolle mehr spielt. Zwei Kraniche über einer Ruinenstadt, die einmal Paris gewesen sein muss, ein strahlend blauer Himmel über einem Denkmal aus aufgehäuftem Schrott: In den Darstellungen Netzbands finden sich Elemente, die über das Schreckliche hinausweisen.
Vielleicht ist es auch eine Art Fatalismus, die auf der Leinwand durchschlägt. Karl-Bernhard Netzband, dem aus Anlass seines 75. Geburtstags die Sonderschau der Westallgäuer Kunstausstellung gewidmet ist, kann von prägenden Kindheitserinnerungen erzählen: Wie er als Achtjähriger bei einem Bombenangriff verschüttet wurde, nach seiner Befreiung durch die brennende Stadt ging, und dabei ganz eigene Empfindungen hatte: die Überraschung, auf dem Damm gehen zu dürfen, auf dem sonst die Straßenbahn fährt, die Häufen von Glasscherben, die er mit dem Fuß wie Laubhäufen durchpflügte. Netzband weiß, dass es eine "Schönheit des Untergangs" gibt. Und diese ist immer wieder sein Thema.
Wenn niemand mehr da ist
In Form verwandelter Landschaften und Städte setzt er dieses Thema gerne um. "In terra pax" heißt das Gemälde des zerstörten Paris. "Was wäre, wenn von Paris nur noch ein Eiffelturm-Fragment übrig bliebe? Wenn alles kaputt ist und niemand mehr da - ist das dann Frieden?" fragt der 75-Jährige. Eine Stadt im Endzustand, die nicht mehr bewohnbar ist, ihre Schönheit aber bewahrt hat.
Das Malen ist für Netzband ein Muss. "Man arbeitet sich frei" sagt der Mann, der beim Beobachten der Dinge ungeheuer viel Material sammelt, das er später irgendwann künstlerisch ausdrücken will. Dabei kombiniert er verschiedene Beobachtungen oder Gegenstände miteinander, denn "jedes Objekt ist mit jedem anderen dialogfähig".
Nichtgegeständliche Werke sind für den ehemaligen Bankvorstand eher "Fingerübungen". Er sei kein Konstruktivist, der mit Formen spielt, sagt er über sich selbst. Vielmehr nehme er zuweilen einen Kohlestift in die Hand, höre Musik und "schaue dann, was ist da an Formen drin. Musik und Form stehen in einer elementaren Beziehung". Dieser spürt Netzband nach.
"Man kann nie zufrieden sein"
Dass Karl-Bernhard Netzband viel Wert legt auf Präzision und die technische Ausführung seiner Bilder, sticht ins Auge: das Gerüst bilden akkurate Zeichnungen und exakt angelegte Perspektiven. "Eine Vorstellung hat man ja schon von seinem Werk. Wenn man diese handwerklich nicht erreichen kann, wird man depressiv", sagt er. Seine häufigen Besuche in Münchner Museen nutzt Netzband denn auch nicht allein, um Strömungen der zeitgenössischen Kunst zu erleben oder zur Erbauung.
Oft stellt er sich auch mit Block und Stift vor ein Exponat eines alten Meisters, um zu erfassen, wie dieser ein malerisches Problem gelöst hat. "Man kann nie zufrieden sein", beurteilt er das bisher Erreichte. Aber immerhin: "Ich glaube, ich habe in den letzten vier Jahrzehnten doch einiges an Fähigkeiten dazugewonnen."
Das Verkaufen seiner Werke bedeutet Karl-Bernhard Netzband nicht viel. Er findet es eher "interessant, dass doch einiges weggeht." Etwa 40 Bilder liegen derzeit in Netzbands Haus am Lindauer Seeufer, außerdem viele Zeichnungen und Collagen. Bis zum Frühjahr werden es vermutlich mehr. "Über den Winter muss noch einiges passieren", sagt er. Denn innere Bilder drängen sich ihm auf. Jüngst hat er etwa im Bild "Die Stadt hinter dem Strom" eine Form entdeckt, die an den Korpus eines Streichinstruments erinnert.
Und schon hat der Künstler weitere Metamorphosen vor Augen: Eine Musikstadt will gemalt werden, mit zu Instrumenten verwandelten Häusern. Fraglich, ob Menschen sie bewohnen.
Öffnungszeiten bis 16. November: Montag bis Samstag 15 bis 18 Uhr, Sonn- und Feiertag 10 bis 18 Uhr.