Von Stephan Schöttl Aitrang/Elbsee - Es ist eines dieser idyllischen Örtchen voller Ruhe und Gemütlichkeit. Irgendwo zwischen Aitrang, Unterthingau und Geisenried. Saftig grüne Wiesen, sonnengeflutete Weiden und das friedliche Bimmeln vieler Kuhglocken. Dort ist auch Rosa Holderrieth so gut wie zu Hause. Die 87-Jährige ist - zumindest den Sommer über - jeden Tag dort, auf der Seealpe am westlichen Ufer des Elbsees. Nur drei Wanderer machen Brotzeit, stärken sich mit Käsebroten, deftigem Pressack, warmen Würstchen und selbst gemachtem Erdbeerkuchen für den Rückweg. 'Wenn es heißes Badewetter hat, ist hier wenig los. Dann liegen die Leut' lieber am See unten', sagt Holderrieth. Wie eine Genießerin sitzt sie auf einer Bank vor der Alpe, den Blick immer in Richtung Vieh gerichtet. Begonnen hat ihre Zeit als Viehhirtin und Hüttenwirtin vor 37 Jahren. Zuvor war Rosa Holderrieth, die aus der Steiermark stammt, Bäuerin. Ihr Mann starb früh, weil er sich nie recht von der Kriegsgefangenschaft erholt hatte. Seit fast vier Jahrzehnten versorgt sie von Mai bis zum Wintereinbruch das Jungvieh der Weidegenossenschaft Seealpe Stehlings. 'Wenn die Tiere krank sind, werden sie gepflegt. Außerdem muss ich sie von Weide zu Weide treiben und schauen, dass die Zäune alle in Ordnung sind', erzählt die 87-Jährige. Und sie fügt scherzhaft hinzu: 'Ich brauche keine Männer. Mir reichen meine Tiere und Blumen.' Man glaubt es ihr, denn neben den Rindern hält Holderrieth noch Hennen und sogar ein Schwein.
Der Ruhetag ist heilig Im Laufe der Jahre hat sich die Seealpe zu einem beliebten Ausflugslokal entwickelt. Im Sommer kommen Wanderer und Radfahrer, im Winter sind es Langläufer. 'Ich habe immer nette Gäste', sagt die Chefin. Die kommen nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern sogar aus Kanada, Brasilien und Holland - vom Fließbandarbeiter bis zum Doktor. Das liege vor allem auch an der 'tollen Zusammenarbeit' mit dem Campingplatz am anderen Ufer des Elbsees. Holderrieth: 'Unsere Seealpe wird dort sehr eifrig beworben.' Das sei vor allem zu Beginn der Bewirtung hilfreich gewesen. Doch trotz allen Trubels und Geschäfts, auf eines legt die 87-Jährige besonderen Wert: ihren Ruhetag. 'Den brauche ich auch. Ich möchte gar nirgends weit weg in den Urlaub fahren. Einmal muss ich einfach abschalten und das kann ich hier am besten', sagt sie. Außerdem müsse sie ja 'in Ruhe putzen können' - die Küche, die Wirtsstube für rund 25 Gäste und ihr Zimmerchen im Obergeschoß der Alpe. Von dort aus kann sie auch nachts in der Nähe 'ihrer' 50 Kühe sein. Trotz ihres gewachsenen Alters sorgt Rosa, wie sie nicht nur von ihren Besuchern liebevoll genannt wird, selbst für ihre Gäste - so lange es nicht zu viele sind. Dann helfen ihr Tochter Roswitha Rager, die mehrmals in der Woche zusammen mit ihrem Ehemann Kaspar, Bürgermeister von Germaringen, zur Seealpe fährt. 'Sie kaufen für mich ein und tischen Brotzeiten auf', sagt Holderrieth. Kochen müssen die drei mit Gas, weil bislang noch keine Stromleitung bis ans Westufer des Elbsees führt. Dafür gibt es anerkennenden Dank von der rüstigen Rentnerin. 'Das geht bloß mit eigenen Leuten', sagt sie. Die Preise in der Seealpe sind noch solide, und das solle auch so bleiben. Holderrieth: 'Sogar im Dorf ist es teurer. Ich möchte die Preise nicht erhöhen und deshalb können wir uns gar kein externes Personal leisten.'Auch wenn das Kochen, Backen, Bedienen und Viehhüten mit zunehmendem Alter und kleinen Wehwehchen schwieriger geworden ist, ans Aufhören denkt die 87-Jährige noch lange nicht. 'Ich mache weiter, so lange ich kann. Die Arbeit, die frische Luft und die netten Gäste halten mich fit und jung', sagt sie. i Das Bier- und Vesperstüble 'Seealpe' hat Mittwoch, Freitag und an den Wochenenden jeweils von 11 bis 18 Uhr geöffnet.