Er ist ein Mann von Welt, der im Plauderton jede Krise analysiert und große Fragen der Menschheit anhand eines Comicstrips erklärt. Ulrich Wickert, der Fernseh-Journalist, Buchautor und ehemalige Tagesthemen-Moderator, wurde den Erwartungen beim ersten Sparkassen-Forum im Stadtsaal gerecht, das der Finanzkrise und ihren Folgen gewidmet war. "Ja, auch die Medien tragen Verantwortung", murrte Wickert, der als einer der wenigen ungestraft die eigene Zunft für ihre Krisenberichterstattung geißeln darf. "Manchmal könnte ich meine Kollegen prügeln."
Die von Sparkassenchef Winfried Nusser geladene Runde beließ es beim Reden und stellte die Chancen der Krise in den Mittelpunkt. "Es muss weniger gefragt werden, was mir selbst nutzt", so Wickert, "und mehr, was der Gemeinschaft wichtig ist." Er rückte ethisch-moralische Grundsätze in den Vordergrund, sprach das Ehrenamt an, zollte denen Hochachtung, die Teile ihres Vermögens spenden. "Ich habe mich für Geld immer nur interessiert, wenn es nicht da war", sagte er zu den eigenen Anlagegewohnheiten. Seiner Meinung nach dürfe das ökonomische Denken nicht alles überdecken.
Kurzer Atem schadet
Dr. Martin Hüfner, Chefvolkswirt des Finanzdienstleisters Assenagon, erinnerte daran, dass viele Unternehmen in der Krise groß geworden seien. "Wenn es schlecht läuft, stellen sich Betriebe neu auf." Hüfner riet dazu, von der "Kurzatmigkeit" wegzukommen, den Eigennutz wieder langfristig zu sehen, so wie auch die Thyssens, Krupps und Quandts in Jahrzehnten gedacht hätten. Ebenso sollte die Geldanlage eines jeden Privatmannes geplant werden. "Es geht nicht darum, zu fragen, was die größte Rendite bringt, sondern was ich in 30 Jahren mit dem Geld machen will", so der Volkswirt. Er mahnte, "jetzt nicht nur zu regulieren, die Banken und Manager an die Kandare nehmen, sondern uns auch zu besinnen".
Dem stimmte Dr. Friedemann Greiner, der Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, zu. "Es wird sich verbieten, kurzfristig immer nur höchste Wachstumsraten zu erwirtschaften, es geht um Nachhaltigkeit." Managergehälter dürften nicht 1000-mal höher sein als die der Arbeiter, sagte der ehemalige Pfarrer an der Kaufbeurer Dreifaltigkeitskirche, der die Gier, ein fehlgeleitetes Menschenbild und moralische Ursachen als Gründe für die Krise ausmachte. Die Gesellschaft habe den Slogan "Geiz ist geil" längst adaptiert. Greiner wollte die ausschließliche Kritik an den Managern nicht gelten lassen. "Wir alle sind Teil der Krise", sagte er. Manager und Banken seien nicht nur Treiber, sondern auch Getriebene.
Nusser betonte, dass sich die Sparkasse diesen Zwängen entziehe. "Wir wollen Geld verdienen, aber auch die Gesellschaft unterstützen." Zudem sei sein Haus "wesentlich näher an den Kundenbelangen dran", so der Vorstandsvorsitzende. Es gebe keine Kreditklemme bei den bayerischen Sparkassen. "Wir schauen natürlich genauer hin heute", so Nusser. "Aber wer als Unternehmer seine Hausaufgaben gemacht hat, wird gestärkt aus der Krise hervorgehen."