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"Die Diagnose ist ein Schock"

Multiple Sklerose

"Die Diagnose ist ein Schock"

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    Man ist ungeschickt, als hätte man Handschuhe über den Fingern: Mit diesem Vergleich beschreibt Dr. Petra Schmidt die Gefühlsstörungen in ihren Händen. Die 56-Jährige leidet an Multipler Sklerose, kurz MS (siehe Infokasten). In Memmingen leitet sie die MS-Selbsthilfegruppe, die mittlerweile seit 20 Jahren besteht.

    Vor drei Jahren wurde der Ärztin die Diagnose gestellt. "Ich habe die Seite gewechselt", sagt sie dazu und lacht leise - vom Mediziner zum Patienten. Ihren Beruf kann die 56-Jährige wegen der Krankheit nicht mehr ausüben.

    Symptome hatte Schmidt schon Jahre vor der Diagnose: "Erst kamen die Gefühlsstörungen. Später tat ich mir beim Laufen schwer." Die Gewissheit bekam sie durch Kernspintomografie und Nervenwasser-Untersuchung: "Die Diagnose ist für viele ein Schock." Dagegen sagt sie über ihre eigene Situation: "Es hätte schlimmer kommen können." Freunden und Bekannten erzählte Schmidt lange Zeit nichts: "Wenn man nicht muss, sagt man es nicht. Irgendwann konnte ich es aber nicht mehr verbergen." Ihr Gang verrät es. Und ab und an gerät sie ins Taumeln: "Das ist, als wäre man betrunken."

    In der Selbsthilfegruppe, die sich einmal im Monat im Memminger Gasthof Waldhorn trifft, sind die Jüngsten Anfang 30. Den meisten sehe man nicht an, dass sie an Multipler Sklerose leiden. Andere wiederum kämen mit Rollator oder im Rollstuhl. "Oft reden wir überhaupt nicht über die Krankheit. Es ist nicht so, dass wir ständig jammern", erzählt Petra Schmidt. Das Motto der Gruppe: "Nur nicht hängen lassen."

    "Man braucht Zeit, um zu akzeptieren, dass man krank ist"

    Direkt nach der Diagnose machen die meisten Betroffenen laut Schmidt einen großen Bogen um jede Selbsthilfegruppe: "Es braucht Zeit, bis man akzeptiert, dass man krank ist." Ist ein MS-Schub überstanden, fühlten sich manche Patienten wieder völlig gesund. "Dann denkt man, ich habe doch gar nichts.

    " Doch meistens hinterließen die Schübe ihre Spuren: "Was in ein paar Jahren sein wird, weiß ich nicht. Dieses Ungewisse macht Angst. Aber ich versuche, nicht daran zu denken." Ihr Mann gebe ihr Kraft. "Durch ihn habe ich gelernt, im Hier und Jetzt zu leben." Und durch die Krankheit habe sie begriffen, "dass es total unwichtig ist, ob jemand im Rollstuhl sitzt oder nicht. Der Mensch zählt, nicht, wie gut er auf den Beinen ist."

    MS wird auch die Krankheit mit den 1000 Gesichtern genannt: "Weil sie sich bei jedem anders zeigt. Die einen leiden an Gehstörungen, die anderen an Gefühls-, Gleichgewichts- oder Sehstörungen." Schmidts Augen sind gut. Aber bei feinen Arbeiten tut sie sich schwer - Knöpfe zumachen gehört dazu. Früher habe sie viel genäht - "auch das geht heute nicht mehr".

    Schreiben tut sie hauptsächlich am Computer. "Weil meine Schrift ziemlich krakelig geworden ist."

    Termin: Die Gruppe trifft sich an jedem dritten Donnerstag im Monat ab 18.30 Uhr im Gasthaus Waldhorn.

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