Bei Mose kam die Krise Jürgen Haußmann: Rekordversuch in Stenografie. Von Dirk Ambrosch Kaufbeuren Die Euphorie hielt bis Mose dann kam die Krise. 'Oh, oh, dachte ich mir, das halte ich nicht durch.' Jürgen Haußmann reibt sich die Hand und zeigt den Finger, wo ihn die Blase plagte. 'Ich konnte kaum noch schreiben und hatte auch kein richtiges Gefühl mehr in den Fingerspitzen.' Um den Frust abzubauen ging er Wandern, dabei fasste der Kaufbeurer neuen Mut und er arbeitete weiter. Herausgekommen ist nun ein Werk, das dem 55-Jährigen vielleicht einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde beschert: Die erste vollständige Übertragung der Bibel in Kurzschrift.
Was trieb ihn zu dieser Anstrengung? Haußmann lächelt: 'Das war eine Blitzidee, die ich letztes Jahr am Heiligen Abend hatte. ' Der ehemalige Berufsschullehrer wollte im bevorstehenden Jahr 2000 etwas Besonderes leisten. Gleichzeitig überlegte er, wie er die Kurzschrift 'für zukünftige Generationen' erhalten könnte. Haußmann hatte das Fach jahrelang unterrichtet und war so zu einem Fan geworden der 'Kunst der geflügelten Feder', wie er sagt. Dann kam ihm der Gedanke mit der Bibel. 'Ein Fundament das größte geschlossene Werk, das auf der ganzen Welt bekannt ist.' Haußmann begann noch am selben Abend. Nach weiteren 215 Tagen und 978 Arbeitsstunden war es geschafft: am 25. Juli schrieb er die letzte der 5869 Seiten.
'Den Guinness-Rekord habe ich am Anfang nicht im Sinn gehabt', sagt. Vielmehr ging es ihm um die Schrift und um die 'Ästhetik'. Es hat sich eben so ergeben. Irgendwann, als er abschätzen konnte, wie viel Seiten er am Ende zusammenbringen würde. Erst dann erkundigte sich Haußmann beim Guinness-Verlag und meldete den Rekord an. Die Chancen für einen Eintrag stehen nicht schlecht; doch daran mag er noch nicht denken.
Lieber blättert Haußmann in einem der fünf schwarzen Bände. 'Ich freue mich, dass ich den Ehrgeiz hatte, das Ganze durchzustehen.' Pro Tag schrieb er durchschnittlich vier Stunden. Täglich fing er schon morgens um halb fünf an, weil da die Hand noch ruhig war und sie über das Papier 'fließen' konnte, wie er das nennt; später am Tag ging das wegen seiner Zuckerkrankheit oft nicht so gut. Wenn er sich jetzt sein ganzes Werk betrachtet, dann ist er so stolz, 'wie jemand, der sich ein neues Auto gekauft hat.' Später sollen die Bücher in der Bayerischen Staatsbibliothek oder im Wittenberger Luthermuseum ausgestellt werden. 'Das wäre ein großer Wunsch von mir.'
Lesen geht nicht schneller
Auf die Frage, ob er ein gläubiger Mensch sei, antwortet Haußmann: 'Ja, aber nicht fanatisch.' Die Bibel wählte er nicht aus Religiosität, sondern wegen ihres Bekanntheitsgrades. 'Das hätte sonst auch die Geschichte der Eisenbahn sein können.' All denen, die sich aber vornehmen, die Bibel einmal ganz durchzulesen, rät der gebürtige Stuttgarter mit einem Zwinkern: 'Das lohnt sich nicht.' Zwar sei das Neue Testament 'einwandfrei', doch im Alten gebe es 'nur Krieg, Streiterei oder Namensregister des isch Wahnsinn'.
Sollte das mit dem Eintrag ins Guinness-Buch klappen, so sieht er das als Belohnung, weil der Rekord 'Kraft und Energie gekostet hat'. Und noch eine Sache erklärt Haußmann: Natürlich mache die Stenografie es möglich, einen Text zügig aufzuschreiben. Wer sich aber fragt, wie viel Zeit man beim Lesen der Bibel in der Kurzschrift-Version spart, den muss der Lehrer enttäuschen. 'Nein, das Lesen geht nicht schneller.' Haußmann lacht.