Mehr Einsätze als sonst manches ganze Jahr bescherte der aktuelle Winter der Bergwacht Oberstaufen. Besonders die Imbergbahn rangiert inzwischen in der Region nach dem Fellhorn-Kanzelwand-Gebiet an zweiter Stelle. "Direkt proportional" zur Zahl der beförderten Seilbahngäste liegt auch die Einsatzzahl der Bergwacht: 328 Mal rückte sie an, um zu retten und zu helfen, fast doppelt so oft wie im Winter zuvor. "An den einwandfreien und zertifizierten Pisten kanns nicht liegen", sagt Bereitschaftsleiter Klaus Schädler. Ohnehin passieren sehr viele Unfälle ausgerechnet in einfachem Gelände - wo man Platz hat und nicht so aufpasst. Das Jahr davor, auf das Schädler bei seinem Bericht auf der Bergwachtversammlung im Steibinger Festsaal eigentlich zurückblickte, lag dagegen mit 265 Einsätzen unter dem Schnitt der vergangenen Jahre (2009: 342).
Trotz durchgehenden Skibetriebs von Dezember bis Ende März verletzten sich im Winter 2009/2010 vergleichsweise wenige Skifahrer. Bei zwei Lawineneinsätzen mussten keine Verschütteten geborgen werden. Zu Diskussionen führte damals, dass die Lawinenwarnstufe drei für das massiv verschneite Gebiet westlich der Iller aus Sicht der Profis vor Ort zu niedrig angesetzt war. Kurios war ein Familientreffen im Krankenhaus: Bescheid, dass sie auf dem Weg ins Krankenhaus sei. Die Antwort lautete: "Ich bin schon da." Der Gatte war seinerseits verunglückt.
Im Sommer 2010 waren Sprunggelenksverletzungen mit 15 Fällen (davon 10 schwer) die häufigste Einsatzursache. "Eine typische Sandalen- oder Turnschuh-Verletzung", wie Schädler erklärte: Offenbar gehen wieder mehr Menschen ohne geeignetes Schuhwerk in die Berge.
Die Bergwacht rückte auch zu drei Unfällen mit schwer verletzten Waldarbeitern aus. Besonders einer davon im "Rui Wald" verlief dramatisch: Ein 20-jähriger Holzer war von einem bergab rutschenden Baum erfasst worden und erlitt schwere Becken- und Wirbelsäulenverletzungen. Die Bergung in der engen Schneise war schwierig. Schließlich mussten die Einsatzkräfte direkt neben dem Verletzten sogar einen Baum fällen, um überhaupt mit dem Hubschrauber anfliegen zu können. Hervorragend, so Schädler, sei inzwischen die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr Grünenbach (Westallgäu) bei Einsätzen im Eistobel.
Ausbildungsleiter Wolfgang Berkmann richtete 2010 ein besonderes Augenmerk auf die Überprüfung des bergsteigerischen Könnens. Vom Seilbahnbau über die Weißachschlucht bis zur Luftrettungs- und Seilbahnevakuierungsübungen in Bad Tölz reichte das Ausbildungsspektrum insgesamt.
2010 hat die Staufner Bergwacht ordentlich Geld ausgegeben, wie Schädler und Kassierin Tanja Diem berichteten: Alle Einsatzkräfte wurden rechtzeitig vor dem Winter mit einer kompletten und optimal abgestimmten Einsatzkleidung ausgestattet. Beschafft wurden auch neue ABS-Lawinen-Airbags, die die Sicherheit der Bergretter erhöhen sollen, - und nicht zuletzt ein neuer Motorschlitten.
Laut dem Allgäuer Bergwachtchef Heini Malue gehört Oberstaufen zu den meistbelasteten Bergwachten in Bayern - "und die Arbeit wird hier hervorragend gemacht". Ein dickes Lob und den Dank der Gemeinde gabs auch von Bürgermeister Walter Grath für die Leistung der Bergwacht: Zumal das Anspruchsdenken unter verunglückten oder verirrten Wanderern immer größer werde, wie der Rathauschef kopfschüttelnd bemerkte.
Rettungstechnische und medizinische Kenntnisse sind nicht alles, was einen Bergwachtler ausmacht: Einsatzleiter Christian Heidrich brauchte bei diesem Unfall im Sommer 2010 seine gesamte 25-jährige Erfahrung, um diese Frau in die Luft zu bringen: Sie war bei den Buchenegger Wasserfällen verunglückt. Die Bergung mit Hubschrauber und Bergetau ist ein zigfach erprobtes Manöver.
Aber die Frau weigerte sich: Sie leide unter Höhenangst und Klaustrophobie, erklärte sie. Erst nach intensivem Gespräch konnte Heidrich sie überzeugen, musste aber während des gesamten Fluges ihre Hand halten.