Es geht um ein ewiges, leidvolles Thema: Krieg. In seinem Schauspiel "Atropa - Die Rache des Friedens" überführt der belgische Dramatiker Tom Lanoye die antike Atriden-Welt in unsere Zeit, indem er die heutige Kriegsrhetorik - etwa des Ex-US-Präsidenten George Bush - aufgreift. Agamemnon, der Oberbefehlshaber der Griechen im Trojanischen Krieg, ist eigentlich Vater, Ehemann, Bruder und Schwager. Doch er wurde zum Kriegstreiber, der seine Familie und die Familien des Feindes zerstört. Lanoye zeigt dies anhand der Frauen Iphigenie, Klytämnestra, Helena, Hekabe, Andromache und Kassandra. Michael Dumler unterhielt sich mit Georg Schmiedleitner. Der österreichische Regisseur zeichnete 2009 am Nürnberger Staatstheater für die deutsche Erstaufführung von "Atropa" verantwortlich. Am Freitag, 19. März, ist seine Inszenierung im Theater in Kempten zu sehen.
Herr Schmiedleitner, was haben uns die antiken griechischen Autoren heutzutage noch zu sagen?
Schmiedleitner: Ich bin ein großer Fan der antiken Literatur, weil da eigentlich alles drinnen ist, was heute noch gültig ist. Wenn man die Griechen genau liest, stellt man fest, dass sie ganz modern sind. In der Geschichte von Atropa ist ja sozusagen die gesamte Kriegsgeschichte, an heutigen Verhältnissen, gemessen dargestellt. Es lässt sich eins zu eins übertragen. Der Trojanische Krieg ist da vergleichbar mit dem Iran-Irak- oder auch Vietnam-Krieg.
Spannend ist in "Atropa" aber auch, dass sich da ein Mann, Agamemnon, gleich sechs Frauen gegenübersieht
Schmiedleitner: Es ist eine sehr unkonventionelle Sicht des Autors, der den Krieg und seine Wirkung an den Frauen zeigt. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass er die Frauen nicht ganz freispricht vom Krieg. Frauen sind also nicht nur Opfer, sondern man sieht an ihrem Verhalten, dass sie durchaus auch Täter sind und untereinander eigentlich genauso Konflikte haben wie die Männer. In dem Stück bittet der Mann die Frauen ständig um eine Art von Erlösung, damit er seine kriegerischen Taten fortsetzen kann. Und die Frauen erlösen sich dann eigentlich selbst in ihrem Leid durch das Gemetzel.
Stichwort Sprache: Wie schwierig war es, altertümliche Verssprache und moderne Inhalte zusammenzubringen?
Schmiedleitner: Einfach war es nicht. Es ist ein hoch komplizierter Sprechakt. Wir haben sehr lange gebraucht, aber es hat dann doch sehr gut funktioniert.
In Atropa hat sich Tom Lanoye der Euripides-Tragödie "Iphigenie in Aulis" und "Die Troerinnen" sowie Aischylos "Agamemnon" bedient und aktuelle Bezüge eingebaut. Im Grunde ein Riesen-Projekt. Wie behält man da als Regisseur den Durchblick?
Schmiedleitner: Ich mag einfach große Stücke, sehr starke Formen und Setzungen. Ich bin irgendwie Spezialist für große Klassiker, je größer, desto mehr Spaß macht es mir eigentlich. Diese Herausforderung der fast unmöglich spielbaren Sachen ist für mich immer spannend. Und so laufe ich dabei erst so richtig warm, wenn es heftig wird.
Haben Sie für Ihre Tournee-Fassung Änderungen vornehmen müssen?
Schmiedleitner: Nein, wir haben in Nürnberg ja bis Herbst noch wegen der Generalsanierung des Schauspielhauses auch mit Ausweichspielstätten zu tun. Auch da mussten wir uns anpassen.
Mit was beschäftigen Sie sich aktuell?
Schmiedleitner: Jetzt steht die Premiere von Anton Tschechows "Platonow" an. Auch so ein Monsterwerk, sehr spannend und vor allem auch sehr aufwühlend. Im Mai mache ich am Wiener Volkstheater "Das letzte Feuer" von Dea Loher, eine moderne Geschichte über Menschen in ihrer Kleinheit und Gefangenheit.
Karten für die Aufführung von "Atropa - Die Rache des Friedens" mit dem Nürnberger Staatstheater am Freitag, 19. März (20 Uhr), im AZ-Service-Center in Kempten. Um 19.15 Uhr gibt es mit dem Regisseur Georg Schmiedleitner im Theater-Oben eine kostenlose Einführung in das Stück.