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Die alte Heimat ist nicht vergessen

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Die alte Heimat ist nicht vergessen

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    Obergünzburg - Der Zweite Weltkrieg war im Mai 1945 verloren. Eine der Folgen bekamen die Sudetendeutschen alsbald zu spüren. Sie wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Viele von ihnen bereits 1945. Viele weitere 1946 - insgesamt drei Millionen Männer, Frauen und Kinder. Es war die größte Volksgruppe der Vertriebenen. Bis Oktober 1946 transportierten mehr als 1000 Eisenbahnzüge mit 40 Waggons jeweils 1200 Menschen über die Grenze nach Deutschland. So kamen die Sudetendeutschen in Viehwaggons hier an. Mit dem zweiten von vier Transporten aus dem Kreis Hohenelbe/Riesengebirge trafen im September 1946 auch in Obergünzburg Sudetendeutsche ein. Unter ihnen der 14-jährige Robert Erlebach. Er erinnert sich an die Ereignisse vor 60 Jahren:'In diesen Spätsommer- und Herbstwochen 1946 'verfrachtete' man die 400 Riesengebirgler - es waren 110 Familien - aus dem Kreis Hohenelbe unter anderem auch nach Obergünzburg. Von den vier großen Transporten 'Viehwagen 1. Klasse', die in den Landkreis Marktoberdorf kamen, wurde ein Waggon des zweiten Transportes, Mitte September 1946 direkt nach Günzach umgeleitet und so wurden wir (60 Personen aus unserem Wohnort) mittels Lastwagen samt unserem mitgebrachten Hab und Gut direkt in die von so genannten Flüchtlingskommissaren ausgemachten Quartiere eingewiesen. Somit blieb uns, wie vielen anderen ein Lageraufenthalt in Unterthingau oder Marktoberdorf erspart.

    Harter Anfang Die Riesengebirgler bildeten (in Obergünzburg) den Hauptanteil der weit über 1000 Flüchtlinge und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten. Das Leben in den ersten Wochen und Monaten war äußerst hart und der Winter stand vor der Tür. Da galt es vor allem genügend Holz zu sammeln, was für uns Gebirgler absolut keine Fremdarbeit war. Wir schleppten es mittels Rückenhocken oder mit kleinen Leiterwagen heim. Viel schlimmer sah es mit der Beschaffung der wichtigsten Grundnahrungsmittel, wie Brot, Kartoffeln oder Milch aus. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, dass wir frühmorgens mit einem Stück trockenem Brot und dem Rucksack loszogen und die im großen Umkreis abgeernteten Felder nach liegengebliebenen Ähren von Fesen oder anderen Getreidesorten absuchten. Für einen solchen Rucksack voll gab es beim Malzmüller eine Tüte Mehl, gegen die wir beim Reiser-Bäcker wiederum ein Brot eintauschen konnten. Oder, dass wir in den Abendstunden des ersten Winters, über die Hügel nach Wolfartsberg, Berg-Freien, Upratsberg und alle möglichen Weiler in tiefem Schnee losstapften, um einen Liter Milch oder einige Kartoffeln zu ergattern. Nicht etwa als Bettler - sondern wir haben oftmals auch Tauschgeschäfte betreiben müssen, indem wir unsere mitgebrachten Gegenstände wie Wäsche und dergleichen 'in Zahlung' gaben. Heutige jüngere Generationen können sich davon keine Vorstellung mehr machen oder wollen es auch kaum noch wahrnehmen.

    Holdermusbrot als Lohn Ich selbst zum Beispiel half als 14-jähriger Hütebub von fünf Kühen bei einer Bäuerin in der Kaufbeurer Straße aus und bekam am Abend, wenn ich die kleine Herde aus dem Günztal zurück brachte, als Lohn dafür gar eine Scheibe Brot mit Holdermus bestrichen. Das war ja gut genug für die 'Huraflichtling', wie man uns damals - wohl als 'Kosenamen' - nannte. Freilich ist ein kleiner Teil von uns weggezogen, da die Arbeitsmöglichkeiten im Ort sehr gering waren. Andere blieben und dachten schon in den 50-er Jahren an ein eigenes Häuschen, nachdem die Wohnungen sehr knapp waren. So entstanden im Laufe der Jahre über 40 neue Häuser, allein von diesen Riesengebirglern aus den Kreis Hohenelbe.'Eines dieser Häuser baute Erlebach 1957 gemeinsam mit seinen Eltern in der Seilerstraße. Um ein Zeichen zu setzen ließ er vor 15 Jahren von einem Oberammergauer Maler den Berggeist des Riesengebirges, Rübezahl, auf die Hauswand malen und nennt es seither 'Haus Rübezahl'.

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