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Dessous von Musette

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Dessous von Musette

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    Von unserem Redaktionsmitglied Freddy Schissler, Bregenz - Noch scheint der Bodensee zu schlummern. Noch sind die Umrisse des Festspielhauses in Bregenz nur schemenhaft zu erkennen. Es ist kurz nach sieben Uhr am Morgen, und während die Möwen und andere Vögel schon munter ihre Lieder zwitschern, muß sich das Tageslicht erst einmal seinen Weg bahnen. Die Leute vor dem Eingang der Werkstattbühne sehen zwar ein wenig verschlafen aus, aber sie haben sich einen guten Platz gesichert. Das ist ihre positive Meldung des Tages. Zwei Stunden müssen sie noch ausharren, dann kann der eigentliche Kampf beginnen. Ein Kampf um die besten Mäntel und Masken, Bügeleisen und Barhocker, Sessel und Schreibtische, Kleider und Krawatten, Jacken und Joppen. Die Bregenzer Festspiele öffneten am Wochenende wie alle zwei Jahre ihr Lager, um die Requisiten der zu Ende gegangenen Produktionen zu verkaufen - zu Niedrigpreisen. Weshalb die Interessenten Schlange stehen im Morgengrauen wie zu besten Winterschlußverkäufen. Natürlich werden an diesem Vormittag auch schon mal die Ellbogen eingesetzt im Duell mit dem Nachbarn, aber Babette Karner von der Presseabteilung der Festspiele darf am Abend erleichtert aufatmen: 'Probleme oder Beschwerden hat es keine gegeben.' Auf der großen Werkstattbühne des Festspielhauses hängen die Paillettenkleider der Spaßgesellschaft aus La Boh&po_143;mes zweitem Akt an unzähligen Kleiderständern in Reih' und Glied, und sie sind eindeutiger Spitzenreiter in der Kaufgunst des Publikums. Ebenfalls sehr begehrt: Musettes erotische Fummel und Dessous.

    Die Schlußlichter bilden ein Schreibtisch, meterhohe Streichhölzer aus Steropor, Stöckelschuhe, Champagnerflaschen und dicke Wintermäntel. Letztere freilich dürften doch noch neue Besitzer finden. 'Wir wollen sie für einen guten Zweck zur Verfügung stellen', verrät Babette Karner. Vermutlich landen sie bei Menschen in Rumänien. Geld verdienen will man bei den Bregenzer Festspielen mit dieser Aktion ohnehin nicht. 'Da bleibt kein Euro übrig', sagt Karner. Ziel sei vielmehr, das Lager zu räumen und somit Platz zu schaffen für die kommende Produktionen. Zum Beispiel für die West Side Story. Das Publikum an diesem Tag ist bunt gemischt, kommt aus Österreich, aus dem Allgäu oder aus der Schweiz. 'Wir haben uns hier auch die Jahre zuvor schon umgeschaut', sagt ein Ehepaar aus Bregenz, 'denn nirgendwo bekommt man billiger schöne Kostüme für Fasching.' Und schließlich habe man hinterher die Gewißheit, Besitzer einer Requisite der Seebühnen-Produktion zu sein. Es gibt auch jene Kunden, die Mitglieder einer Laienschauspiel-Gruppe sind und ihre nächste Aufführung danach richten, welche Kostüme und Requisiten sie auf der Bregenzer Werkstattbühne ergattern. Der größte Teil der Boh&po_143;me-Produktion allerdings konnte der Recycle-Maschine nicht entkommen: der Stuhl. Ein Schweizer Hotelier hätte sich das gute Stück gerne gesichert, Abbau und Transport wären aber letztlich zu kompliziert gewesen.

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