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Der Wächter - nichts für Rostverächter

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Der Wächter - nichts für Rostverächter

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    Von Tobias Schuhwerk, Füssen - Eigentlich kann man dem 'Wächter' nichts vorwerfen. Er versperrt niemand den Weg, ist nie unverschämt. Seit über zehn Jahren steht er an der Fassade des ehemaligen Klosters St. Mang stramm - und rostet. Genau das soll er auch tun, wenn es nach dem Wunsch seines Erschaffers geht, dem Künstler Herbert Dlouhy. Viele Gäste und Einheimische wundern sich dagegen, was die stählerne Skulptur an derart prominenter Stelle verloren hat. Vorausgesetzt, sie können das Kunstwerk überhaupt als solches identifizieren. (Siehe untenstehende Umfrage). 'Können Sie mir sagen, was das Ding bedeutet?', wandte sich kürzlich ein Urlauber-Ehepaar aus Nordhrein-Westfalen nach einem Stadt-Bummel hilfesuchend an die AZ. Kein Problem: Das 'Ding', also der 'Wächter', war 1991 zunächst im Rahmen der Skulptur-Ausstellung 'Schauplätze' in der Füssener Altstadt zu sehen, ehe er vom Kleinkunstverein 'Brennessel' gekauft und der Stadt zur dauerhaften Installation übergeben wurde. Kulturamtsleiter Thomas Riedmiller schwärmt: 'Der Wächter passt wunderbar an diesen Ort.' Zumal sich im Hintergrund der Skulptur früher das - stets bewachte - Lechtor befunden habe. Ist die Herkunft der Skulptur erst einmal geklärt, drängt sich für viele Betrachter eine weitere Frage auf: 'Müsste man das Ding nicht mal neu anmalen?', wundert sich beispielsweise Urlauber Wolfgang Grobe. Eine Antwort darauf kann nur einer geben: Künstler Herbert Dlouhy, 60 Jahre alt, den die AZ in seinem Wohnort in der Nähe von Wertingen ausfindig macht. 'Bloß nicht anstreichen', lautet die Empfehlung des pensionierten Kunstlehrers.

    Der Rost ist schließlich Programm. Bei der Herstellung hat Dlouhy extra die eiserne Oberfläche abgeschliffen, damit sie schneller rostet. Der 'Wächter' als Sinnbild für Evolution: 'Es geht um die Zurückeroberung durch die Natur.' Zunächst sei Stahl 'wie tot', durch die voranschreitende 'Verrostung' würde ihm Leben eingehaucht. All jenen, denen sich die Bedeutung des Kunstwerkes nicht erschließt, rät Riedmiller die 'formale Ästhetik' zu genießen. 'Statisch, reduziert in der Form - der Wächter fügt sich wunderbar in das Umfeld ein.' Als 'gute Anregung' bezeichnet er dennoch den Wunsch von Passanten, das Kunstwerk künftig mit einem Hinweisschild zu versehen. Künstler Dlouhy hat indessen nichts dagegen, wenn die sich langsam von weiß in braun verwandelnde Fassade hinter dem 'Wächter' gestrichen würde, 'falls das die Leute wollen.' Tun sie - wie zumindest die AZ-Umfrage ergab. 'Da müsste dringend was geschehen', meinte eine Füssener Seniorin, die namentlich nicht in der Zeitung erscheinen will, weil 'mich die Leut\' am End noch als Kunstbanause bezeichnen.' So zögerlich ging es nicht immer zu, wenn es um Kunst im Rahmen der 'Schauplätze' ging. Zitat aus einem Leserbrief aus dem Jahre 1991: 'Ein Normalbürger, der derartigen Schrott auf öffentlichen Plätzen deponieren würde, müsste mit einer saftigen Strafe wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses beziehungsweise Umweltverschmutzung rechnen.' Solchen Widerstand hat Herbert Dlouhy häufig gehört in seiner Karriere. Mit Blick auf die Kunstgeschichte verlor er aber nie die Zuversicht, 'dass sich Qualität auf Dauer durchsetzt in der Kunst - bei manchen Künstlern halt erst nach ihrem Tod.' Was das Material anbelangt, bringt der 'Wächter' in diesem Punkt beste Vorraussetzungen mit. Momentan schrumpft er jährlich nur um ein bis zwei Millimeter. Dlouhys Prognose: 'Die Skulptur wird uns alle überleben.'

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