Von Katja Egli, Marktoberdorf-Leuterschach - Maria (5) sitzt auf dem Waldsofa und schnitzt einen Grillspieß. Elena (4) greift mit der Hand in den Waldboden und fühlt Nadeln, kleine Tiere und Moos. Stefanie (4) spielt mit einem Tannenzapfen: die einzelnen Schuppen, findet sie, sehen aus wie viele kleine Herzen. Ein paar Meter weiter im Ettwieser Wald am Stadtrand von Marktoberdorf sägen Mädchen und Buben unter Aufsicht Holzstücke auseinander. Die Kinder machen nicht nur einen einmaligen Ausflug in die Natur: Sie besuchen den Kindergarten 'Purzelbaum' - einen von bislang drei staatlich anerkannten Waldkindergärten in ganz Schwaben - und werden so die meiste Zeit ihres Kindergartenlebens draußen sein. Die Idee für einen Kindergarten im Wald wurde aus einer Raumnot geboren: Als klar war, dass heuer eine zusätzliche Kindergartengruppe in Leuterschach zusammenkommt, der Platz im bestehenden Gebäude aber nicht dafür ausreicht, entschied sich die Stadt auf der Suche nach einer Lösung für den Waldkindergarten. Im Vorfeld bereits hatte Wolfgang Wieder, der bei der Stadt für die Kindergärten zuständig ist, betont, der 'Naturnahe Bewegungskindergarten Purzelbaum' solle keine 'Billiglösung', sondern eine neue Form der Kinderbetreuung sein. Dass darin viele Chancen für die Buben und Mädchen stecken, verdeutlichte bei einem Elternabend Carmen Beck-Grad, die den seit fünf Jahren bestehenden Lindauer Wald- und Seekindergarten leitet. Schließlich entschieden sich die Eltern von 20 Leuterschacher Kindern für den naturnahen Kindergarten - und sehen darin jetzt, nachdem ihre Kleinen die ersten Wochen draußen erlebt haben, viele Vorteile: 'Meine Tochter ist viel aufgeweckter, sonst hat sie nie mit Fremden gesprochen', freut sich etwa Sonja Eiterer. Beate Huber hat beobachtet, dass ihr Sohn Matthias jetzt mittags endlich richtig Appetit hat.
Große Entdeckungsreise Der Tag im Waldkindergarten beginnt und endet auf dem so genannten Waldsofa, einem Rund aus Zweigen und Ästen. Dort begrüßen und verabschieden sich die 20 Kinder aus dem Marktoberdorfer Stadtteil Leuterschach. Dazwischen liegt für die Kinder jeden Tag eine große Entdeckungsreise. Denn Spielzeug wie Puppen und Autos gibt es im Gegensatz zu Regelkindergärten im 'Purzelbaum' nicht. Die Kinder beschäftigen sich mit dem, was ihnen die Natur bietet, entwickeln selbst Ideen, wie sie sich beschäftigen können, spielen Verstecken oder Fangen - und bewegen sich vor allem den ganzen Vormittag. So sei es ihnen bei den schon recht frischen Temperaturen Anfang September auch nicht kalt geworden, sagt die Leiterin Irene Rohrsetzer. Gemeinsam mit Kinderpflegerin Anna Ade und Praktikantin Ulrike Heubuch betreut die Erzieherin mit der Zusatzausbildung zur Motopädin (Bewegungspädagogin) die ersten Ostallgäuer Waldkindergarten-Kinder. Neben dem Kindergarten in Lindau gibt es in Schwaben auch einen staatlich anerkannten Waldkindergarten in Weißenhorn. Voraussetzung für die Anerkennung durch die Regierung ist unter anderem ein Gebäude, in das sich die Gruppe bei Eiseskälte und schlechtem Wetter zurückziehen kann. In Leuterschach steht dafür das TSV-Vereinsheim zur Verfügung. 'Das soll aber nur unser Stand- und Ausgangspunkt sein, von dort aus werden wir auch im Winter viel draußen unternehmen', erklärt Irene Rohrsetzer und Stefanie (4) fügt hinzu: 'Wir sind doch auch jetzt schon draußen geblieben, wenn es geregnet hat.' Carmen Beck-Grad berichtet sogar, dass die Lindauer Waldkinder ihren Winter-Unterschlupf noch nie gebraucht hätten, wobei zugegeben das Klima am Bodensee etwas milder sei als im Ostallgäu.