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Der Menschenfischer vom Lechsee

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Der Menschenfischer vom Lechsee

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    Die evangelische Gemeinde verabschiedet Pfarrer Horst Drosihn Lechbruck Der Spruch ist einfach da: Der Lotse geht von Bord. Wie sonst sollte man es beschreiben, wenn ein Pfarrer den Talar an den Nagel hängt, der auf allen Weltmeeren zu Hause ist. Und doch. Trotz des scharfen, klaren Blicks: Horst Drosihn hat nichts von einem Bismarck, auf den die Metapher gemünzt war. Eher von einem Fischer. Einem, der auszog, Menschen zu fischen. In bester biblischer Tradition. Die Geschichte beginnt nicht im November 1968, als Horst Drosihn die Stelle eines Vikars für Lechbruck, Roßhaupten und Rieden antritt. Sie beginnt auch nicht 1986, als er sich mit rechtsanwaltlicher Hilfe gegen die Landeskirche durchsetzt und Bezirksvorsitzender des Rollsportverbandes bleibt. Schon gar nicht beginnt die Geschichte erst 1989, als die "Maxim Gorki" im Eismeer verunglückt und der Bordgeistliche hunderten hilflosen Passagieren zum "Leuchtturm" wird. Die Geschichte beginnt viel früher in München. Dort wurde Horst Drosihn nicht nur geboren. Dort verdiente er sich als Student die ersten Meriten eines unbequemen Gliedes der Kirche. Sein Studium finanzierte er selbst im Kaufhaus, in der Großmarkthalle, als Hilfsarbeiter auf Baustellen und auf dem Oktoberfest. "Das war meine Haupteinnahmequelle", sagt Drosihn. Seine Wortgewandtheit war sein Kapital als Ausrufer eines Fahrgeschäftes. Eines Tages bemerkte er Amtsbrüder in Zivil vor seinem Fahrgeschäft. Aufpasser in höherem Auftrag, vermutete Drosihn. Schließlich war sein Job ein "Dorn im Auge der Kirche". "Die nächste Runde ist für Pfarrer gratis", verkündete Drosihn mit Blick auf die Kollegen - die flugs das Weite suchten. Ein Stipendium, mit dem man ihn wohl vom Nebenjob abhalten wollte, lehnte Drosihn ab. "Die haben nicht verstanden worum es eigentlich ging", sagt er. "Mit den Schausteller-Jungen hatte ich die besten Gespräche". Wenn es um Menschen geht, sind Vorschriften und Hierarchen zweitrangig: "Ich diene nicht der Kirche, sondern dem Herrgott", sagt Drosihn.

    Den Zeigefinger braucht er dabei nicht. Ebenso wenig, wie er ihn als Menschenfischer erhebt. Nach einigen Minuten Gespräch mit ihm wird vieles wie von selbst klar. Vielleicht ein Erfolg des Psychologiestudiums, dem er sich wie der katholischen Theologie in München widmete. Für die evangelische musste er nach Erlangen fahren. Drosihn, der Menschenfischer, ist einfach da. Auf dem Kreuzfahrtschiff, auf dem Campingplatz, in der Rehaklinik oder auf dem Radweg am Hopfensee bietet er Gelegenheit zum Gespräch. Gerade in Zeiten, in denen Massenkommunikation sprachlos macht, seien viele dafür dankbar. "Die Antenne für den anderen ist uns verloren gegangen", sagt Drosihn: "Wir müssen wieder sensibler werden." Es ist wohl auch sein Einfluss, dass Mitarbeiter der Gemeinde auf Gehalt verzichten, um es in die 1955 errichtete Himmelfahrtskirche zu investieren. Nur das Pfarrhaus fehlt. Als 1970 das Vikariat zur Pfarrstelle wurde, baute sich Familie Drosihn ihr Häuschen selbst. "Ein gemeiner Trick", meint der Pfarrer. Des eigenen Hauses kann einen niemand verweisen. Man hat nicht nur Freunde, wenn man zwar kein Revolutionär sein möchte, aber gerne Dinge zurechtrückt, die der eigenen Überzeugung zu Folge "ver-rückt" sind. In Lechbruck, wo er hinter verschlossener Flößermentalität viel Herzlichkeit fand, wird Drosihn weiter kräftig im Dorfleben mitmischen. So bei der Weltrallye der Camper, die erstmals alle Vereine des Ortes an einem Tisch zusammenführte. Natürlich mit dem Camperpfarrer von Lechbruck und Hopfen, der die Veranstaltung im Auftrag der Landeskirche begleitet. Beim ERC drängt er sich dagegen nicht in die erste Reihe: "Da läuft doch alles." Sportliche Aufgaben hat er schließlich beim Rollsportverband mehr als genug. Dazu kommt die Fachklinik auf dem Enzensberg, wo er seit 1969 als Hausgeistlicher wirkt. Und die Bordseelsorge: Auf seiner Weltkarte fehlt noch die Stecknadel in Australien. Dieses Jahr erwartet ihn sein Schicksalsschiff "Maxim Gorki" aber zunächst wieder zur Eismeertour. Am 18. August geht der Menschenfischer an Bord.

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