Kempten (mun). - Was ein Foto in der Zeitung alles auslösen kann: Nachdem wir am Dienstag einen Blick auf den herbstlichen Himmel mit Flugzeug-Kondensstreifen gezeigt hatten, wurde die Redaktion mit Mails aus ganz Deutschland geradezu bombardiert. Es handle sich bei den Zeichnungen am Himmel nicht um mehr oder weniger harmlose Kondensstreifen, sondern um so genannte Chemtrails (Chemie-Streifen). Flugzeuge aus den USA würden gesundheitsschädliche Chemikalien in die Atmoshäre versprühen, um dem vom Menschen verursachten Treibhauseffekt entgegen zu wirken, so eine der Verschwörungstheorien. Die Bevölkerung auf der Erde werde dadurch flächendeckend geschädigt. Doch sowohl Deutsche Flugsicherung als auch Umweltbundesamt, Greenpeace und Meteorologen winken ab: Für derlei Theorien gebe es keinerlei Hinweise. Keine Frage: Immer mehr wird geflogen und damit werden immer mehr Schadstoffe über dem bundesdeutschen Himmel ausgestoßen. Etwa 8000 Flugzeuge sind pro Tag über Deutschland unterwegs, berichtet Axel Raab von der Deutschen Flugsicherung im hessischen Langen. Über dem Allgäu könne man von etwa 1000 Flugbewegungen täglich ausgehen, da die Region nahe an einer der beiden Haupt- 'Rennstrecken' über Deutschland liege - und zwar an der Route von Norden über Süd- und Südwest-Deutschland in die Schweiz und weiter nach Süd- und Südwesteuropa. Zudem befindet sich in Kempten ein so genanntes Funkfeuer für den Flugverkehr - also ein Orientierungspunkt für den Instrumentenflug.'Für das angebliche Einbringen von Aluminiumverbindungen in die Atmosphäre und die Bildung so genannter Chemtrails gibt es aber keinerlei wissenschaftliche Belege', betont Dieter Leutert vom Umweltbundesamt. Das hätten Untersuchungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gezeigt. Die Chemtrail-Verschwörungstheoretiker glauben, dass sich die chemischen Spuren von normalen Kondensstreifen insbesondere durch ihre Langlebigkeit und großflächige Ausbreitung unterscheiden. In einigen Internet- Beiträgen wird das Versprühen von Chemikalien sogar verantwortlich gemacht für das Auftreten von Krankheiten wie Aids und BSE.
Nüchtern und sachlich beschreibt das DLR die Bildung von Kondensstreifen. Diese entstehen bei ausreichender Kälte (in entsprechender Höhe) durch die Wasserdampf-Emmissionen aus Flugzeug-Triebwerken, wobei neben Wasser natürlich auch klimaschädliche Schadstoffe wie Ruß, Kohlendioxid und Stickoxide in die Atmosphäre gelangen. Für das gezielte Ausbringen von chemischen Stoffen allerdings gebe es keinerlei Hinweise, heißt es auch bei der Umweltorganisation Greenpeace. Nach Angaben der Umweltorganisation müsste außerdem ständig gesprüht werden, um durch Chemikalien einen Klimaeffekt zu erzielen. Das sieht das Umweltbundesamt ähnlich: 'Die Kosten für derartige Maßnahmen wären erheblich', heißt es in einer Stellungnahme. Zudem sei ohnehin fragwürdig, ob durch das Herstellen von großflächigen Chemtrails und hochliegenden Zirrus-Wolken mittels Chemie dem Treibhauseffekt entgegengewirkt werden könnte. 'Kondensstreifen und Zirren erwärmen das Klima', so das Umweltbundesamt. Die aus Eiswolken bestehenden Kondensstreifen verschwinden bei bestimmten meteorologischen Gegebenheiten rasch - so bei Wind und trockener Luft. Andererseits halten sie sich länger bei einer feuchten Atmosphäre und geringer Luftbewegung - oft vor Annäherung einer Tief-Wetterlage. Solche physikalischen Grundgesetze können die Verschwörungstheoretiker nicht überzeugen. Im Gegenteil: Die wildesten Spekulationen schießen weiter ins Kraut. 'Blödsinn' nennt das schlicht und ergreifend TV-Wetterfrosch Jörg Kachelmann.