Markus Kerber wohnt superidyllisch. Von dem kleinen Bauernhof bei Oberstaufen aus kann er sich die Hügel und Berge von drei Ländern anschauen. In diesen Wochen allerdings hat Markus Kerber ganz andere Aussichten. Er sieht Hotelzimmer, Straßen, Konzerthallen. Als Mitglied der Show "Best of Musical" tourt der 43-jährige Musiker durch die größten deutschen Städte und steht fast jeden Abend vor Tausenden von Zuschauern auf der Bühne.
Am heutigen Samstag wird Markus Kerber in die Gesicher von rund 15 000 Menschen blicken. Sie sind in die "Köln Arena" gekommen, um die Höhepunkte von alten und neuen Musicals zu genießen. Vielleicht werden sie auf den blonden Allgäuer aufmerksam. Immerhin hat kein anderer des 16-köpfigen Musical-Orchesters derart viele Instrumente um sich versammelt. 16 sind es insgesamt: drei Saxofone, zwei Klarinetten, drei Querflöten und Stimmung sowie acht Holzflöten exotischer Bauart, etwa die Bansuri, eine Bambus-Querflöte aus Nordindien. Sie bläst er, wenn Melodien aus dem "König der Löwen" oder "Tarzan" dran sind.
In wenigen Tagen gelernt
Um sich solch spezielle Flöten zu besorgen, musste Kerber viel recherchieren. "Die gibts nämlich nicht in jedem Musikgeschäft", sagt er und lacht. Nach längerem Suchen fand er einen indischen Händler und Musiker in der Nähe von Stuttgart. Der habe ihm auch gezeigt, wie er die seltenen Instrumente zu spielen hat. Besonders schwierig sei es, die Löcher mit den Fingern richtig zu verschließen.
Was andere Flöstisten vielleicht zur Verzweiflung treiben würde, hat Markus Kerber in wenigen Tagen hingekommen. "Das war nicht so tragisch - ich habe halt experimentiert." Vielleicht ging es auch so leicht, weil er ein Musiker mit Leib und Seele ist. So zurückhaltend, ja fast schüchtern er ohne Instrument wirkt, so selbstbewusst und kraftvoll tritt er beim Spielen auf. Bei den Kerberbrothers Alpenfusion und anderen Jazzformationen haut er seinen Zuhörern irrsinnig schnelle (Bebop-)Läufe um die Ohren.
Zusammen mit seinen Eltern und Brüdern in der bekannten Kerberfamilie tischt er klangschön-gemütliche Töne auf.
Auf einzelne Instrumente und Stile hat sich Kerber nie so richtig festlegen lassen. Als Kind von begeisterten Musiklehrern hat er jede Menge Instrumente in die Hand bekommen. Früh lernte er Trompete. Nach der Schulzeit studierte er in München zunächst klassische Querflöte. Dann kam er auf den Jazz-Geschmack, eignete sich binnen weniger Monate das Saxofon an - und studierte nochmals zwei Jahre. Als er beim Theater engagiert war, musste er auch die Klarinette bedienen können - und lernte dieses Instrument ebenfalls innerhalb kurzer Zeit. Inzwischen ist Markus Kerber einer der gefragtesten Multiinstrumentalisten des Allgäus.
Keine Berührungsängste
Berührungsängste kennt er keine. Heute spielt er Volksmusik, morgen Weltmusik, er beherrscht die klassische Musiksprache genauso wie das Jazzidiom. Das freie Improvisieren mag er vielleicht am meisten, sagt er. Aber gerne spielt er auch genau nach Noten, füllt einen vorgeschrieben Part möglichst perfekt und mit schönem Ton aus. Genau diese Bandbreite hat ihn nun zu der Musical-Show gebracht. Die Produzenten wussten, dass er viele verschiedene Instrumente beherrscht. Seit 25. Januar ist er auf Tournee. Premiere war in Hamburg, bei der auch Altrocker Udo Lindenberg ein Stück sang.
Auf der Bühne hat Markus Kerber jede Menge zu tun. Oft muss er mehrere der 16 Instrumente in einem einzigen Stück durchwechseln. Und immer wieder spielt er ganz alleine, es gibt etliche Solostellen für seine exotischen Flöten. Am Anfang war er noch ein wenig nervös, verrät er. Inzwischen fühle er sich immer freier und sicherer.
37 Shows wird Kerber am Ende bestritten haben, Mitte März gehen in Frankfurt die letzten über die Bühne. Dann ist Schluss mit dem Leben aus dem Koffer, Markus Kerber kehrt zurück ins Allgäu. Er freue sich schon auf seinen Bauernhof, sagt er. Dieses Haus auf dem Hügel mit umwerfender Aussicht sei einfach eine tolle Rückzugsmöglichkeit in seinem anstregenden Musikerleben. "Das ist dann wie ein Paradies."