Wenn von einem auf den anderen Tag alle Lebensträume und Familienpläne zerplatzen, zerbrechen die meisten Menschen an diesem Schicksal und geben mutlos auf. Nicht so Karin Burkhart und Wilfried Moser. Die 38-jährige Frau kämpfte sich mit der unermüdlichen Unterstützung ihres 42-jährigen Lebensgefährten vom Koma zurück ins Leben. Die Geschichte übersteigt fast das menschliche Vorstellungsvermögen. Ein Filmteam hat die beiden auf diesem mühsamen Weg begleitet, der Dokumentarfilm ist am kommenden Freitag, 10. Dezember, um 20 Uhr im Filmhaus Bad Wörishofen zu sehen. 50 Tage lang begleitete die Kamera das Paar. "Man gibt alles von sich preis", sagt Wilfried Moser.
Doch er hatte der Anfrage, die die Produzentin an das Zentralklinikum Augsburg gerichtet hatte, zugestimmt, weil er nach einem schweren Autounfall 1987 selbst zwei Wochen im Koma lag. "Ich dachte mir, wenn Karin wieder aufwacht, kann sie sehen, was in dieser Zeit passiert ist." Mit dem Film wollen die beiden auch den Menschen Mut machen, die in einer ähnlichen Situation sind, nie aufzugeben. Auch Wilfried Moser hat seine Karin in all der Zeit nie aufgegeben, hat unermüdlich mit Ärzten und Krankenkassen gekämpft, hat sich in die medizinischen Fachbegriffe eingearbeitet und nach neuen Therapieformen gesucht, hat ihr Mut gemacht, ist hartnäckig geblieben und hat immer daran geglaubt, dass "sie es schafft". Der 42-jährige Ketterschwanger, der als Schreiner bei einer Fensterbaufirma in Bad Wörishofen arbeitet, erzählt ihre Geschichte ganz ruhig in allen Einzelheiten.
Er kann sich teilweise an kleinste Details erinnern, sogar an Uhrzeiten und verschweigt auch nicht die schwierigen Momente.
Beginn des Albtraums
Die Geschichte beginnt genau vor zwei Jahren, kurz vor Weihnachten, als "Karin glaubt, dass sie auf einem Auge nicht mehr so gut sieht". Zu diesem Zeitpunkt sind die beiden erst seit eineinhalb Jahren ein Paar. Der Augenarzt schickt sie zunächst wieder heim: "Trockene Augen" lautet die Diagnose. Doch einige Wochen und mehrere Arztbesuche später wandelt sich die Diagnose in einen Albtraum: Gehirntumor. Die Operation folgt am 3. Februar 2009, Wilfried Moser hat alles genau dokumentiert. "Am Vormittag war die OP, um 12.30 Uhr kam sie auf die Intensivstation. Ich war zu Besuch, sie war wach, ich habe aber gemerkt, dass sie ihre rechte Hand nicht bewegen kann.
" Trotzdem sei er zuversichtlich nach Hause gefahren. Am nächsten Tag dann die niederschmetternde Nachricht vom Arzt: Die linke Gehirnhälfte hat nach der OP einen schweren Infarkt erlitten, wird nicht mehr durchblutet. Es geht ums Überleben.
Zwei Wochen liegt Karin Burkhart im künstlichen Koma im Zentralklinikum Augsburg. "Die Ärzte sagten mir, dass sie ein Schwerstpflegefall und rechtsseitig gelähmt bleiben wird. Sie konnte auch nicht mehr sprechen." In dieser Situation ist wohl jeder Mensch ratlos. "Ich bin jeden Tag zu ihr gefahren, habe ihre Hand gehalten, mit ihr gesprochen, ihr gesagt, dass sie unsere Liebe an alle Gehirnzellen weitergeben soll." Wilfried Moser glaubt an die Energie, die er an sie weiter gibt, und er glaubt, dass sie diese spürt.
Doch obwohl Karin Burkhart nach zwei Wochen aus dem Koma zurückgeholt wird, machen ihm die Ärzte keine Hoffnung. Sie kommt ins Therapiezentrum nach Burgau, das auf Schädel- und Hirnverletzungen spezialisiert ist. Auch dort lautet die erste Prognose der Ärztin: Pflegefall. "Die folgende Nacht war die schlimmste in meinem Leben", sagt Wilfried Moser. "Aber am nächsten Morgen hatte ich den Entschluss gefasst: Ich werde Euch das Gegenteil beweisen." Und das tut er. Als Karin am 17. September 2009 in Burgau entlassen wird, kann sie wieder laufen.
Ein halbes Jahr lang fährt er jeden Tag nach seinem Vollzeitjob von Bad Wörishofen nach Burgau, um ihr Kraft zu geben und ihr zu helfen, die Sprache wieder neu zu erlernen. "Wir fingen mit Vokabelkärtchen und einzelnen Buchstaben wieder an.
Zwischendurch gab es immer wieder Rückschläge. Aber ich habe meine Kraft auch aus dem Glauben heraus genommen", sagt Wilfried Moser.
Als das Schlimmste vor einem Jahr überstanden scheint, treten neue Komplikationen auf. Schließlich muss im September dieses Jahres eine künstliche Plastik, die in den USA nach den Computerbildern der Schädeldecke angefertigt wird, eingesetzt und verschraubt werden. Insgesamt hat die 38-Jährige acht Operationen hinter sich. Am 22. Dezember wird sie jetzt aus dem Nachsorgezentrum Augsburg entlassen. Am meisten freut sich Wilfried Moser auf die gemeinsame Zeit. Im nächsten Jahr wollen sie endlich ins neue Haus einziehen, das sich vor zwei Jahren gerade im Rohbau befand.
"Darauf freut sich Karin sehr." Ob die ehemalige Erzieherin wohl irgendwann wieder ihren geliebten Hobbys - wie Bergsteigen, ferne Länder bereisen oder das Töpfern - nachgehen kann? "Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben", meint Wilfried Moser hartnäckig. "Es ist manchmal schwierig für uns beide, aber es muss doch eine Bestimmung geben, warum wir zusammen gekommen sind."
Ein Dokumentarfilm über Karin Burkhart und Wilfried Moser ist am Freitag, 10. Dezember, um 20 Uhr im Filmhaus Bad Wörishofen zu sehen.
Wilfried Moser wacht am Bett seiner Lebensgefährtin Karin Burkhart. Foto: Harald Rumpf