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Der Glanz bröckelt

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Der Glanz bröckelt

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    Die Ramazotti Sisters decken die schöne Scheinwelt auf Von Christoph Pfister Oberstdorf Ihr Name führt auf eine falsche Fährte, bei manchem Besucher zunächst zur Enttäuschung gar: Ramazotti Sisters bedeutet weder Wortgewalt, geschliffener Witz, noch südlicher Charme. Das musikalische Kabarett der drei Schwestern aus Hildesheim ist eher sanft, banal, hintersinnig, mit dem spitzen Pfeil statt dem Hammer. Bisweilen arg verquert kommt so mancher nicht immer taufrische Gag, klasse der dreistimmige Satzgesang, ausdrucksstark a cappella. Das Schwert der Satire Unbeholfen, schüchtern, unendlich langsam geht es los: Es scheint die Drei in ihrem unsäglichen Outfit genieren sich, fühlen sich unbehaglich im eher schütter besetzten Kurhaus Oberstdorf. Ein paar laue Kalauer und dann greifen sie doch so ab und an tief ins Schwarze, holen aus mit dem Schwert der Satire, überzeichnen listig, scharf, grotesk.

    Sie halten sich wechselweise den Spiegel vor, decken die schöne (Schein-) Welt schonungslos auf, lassen den Glanz bröckeln, verkehren die Zufriedenheit krass ins Gegenteil. Die Schadenfreude darüber gerät beim Hörer irgendwann ins Wanken. Wird hier nicht eigentlich so manche unserer persönlichen Masken heruntergerissen? Unser glänzender Schein zum fahlen Trugbild?Gut, dass gelegentlich ein Spaß der gröberen Art eingestreut ist, zwischen das Loblied auf den Klempner oder die Erörterung Soll ich den Briefträger in den Po kneifen? Der Blaue Enzian in deftiger Textvariante, oder die Versuche an bayerischem Tanzbrauchtum hatten fetten Comedy-Charakter und lockerten die eher niedersächsisch vornehm-verhaltenen Betrachtungen mit Schwerpunkt Frauen-Themen angenehm auf. Durch die angeschwärzte Brille Regine Hittmeier, Manuela Hörr und Anne-Gritt Mikhart setzen vor allem auf ihre Stimmen, ein Streifchen Mimik, bisweilen auf schräge Gestik. Glatte Unterhaltung ist nicht ihr Ding, der feministische Aufruhr bleibt aus. Lieder lügen nicht, ist eine bunte, kleine, recht willkürlich angereihte Revue aus alltäglichen Themen, sehr subjektiven Betrachtungen, vorgefassten Bildern und Gemeinplätzen, gesehen durch den Filter des Kabarettisten, die mal rosarote, mal hinterrücks angeschwärzte Brille des Witzemachers, aufbereitet durch drei geschulte Stimmen mit einem reichen Bündel an eindrucksvoll wie geschickt genutzten Ausdrucksmöglichkeiten, sparsam garniert mit wenigen Zutaten aus dem Repertoire der Bühnenkünstler. Die Ramazotti Sisters musikalisches Kabarett eher für Fortgeschrittene, die gern auch zuhören und sich manchen Reim selbst machen, statt unterhalten zu werden.

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