Sulzberg (mr). Atemberaubende, majestätische Fotos von den Bergen: Auf Hermann Kuen (84), Rudi Pulz (72) und Leo Fellmann (64) haben sie immer noch eine 'elektrisierende Wirkung'. Als sie jüngst die Berichterstattung zur AZ-Leserwanderung von Oberstdorf nach Meran studierten, gerieten sie ins Schwärmen. Schließlich wanderte das Trio bereits 1967 von Sulzberg nach Meran. Genau gesagt zur Gemeinde Dorf Tirol, dem 'Nordbalkon' des berühmten Kurortes, wo sie nach neuntägiger Wanderung begeistert empfangen wurden. Diese Tour über 210 Kilometer in gut 68 Stunden innerhalb von neun Wandertagen war damals auch ein Medienereignis. Immerhin ging es insgesamt fast 7000 Meter hinauf und 7000 Meter hinunter. Kuen glaubt, dass dieser Marsch wenige Jahre später zum Fernwanderweg E 5 von Oberstdorf nach Meran beigetragen hat. Der heutige Ehrenbundesdirigent Hermann Kuen hatte einen triftigen Grund für den Gewaltmarsch: Die Verbundenheit zu Musikfreunden bekunden. Zweimal war die Musikkapelle Dorf Tirol schon in Sulzberg gewesen. Im Winter vor dem Marsch waren es 15 Kandidaten, die ihren Dirigenten 'Mandi' auf Schusters Rappen begleiten wollten. Schließlich blieben zwei übrig: Rudi Pulz und Leo Fellmann. Kuen pochte auf 'Konditionssteigerung' . Pulz war vor Eifer nicht zu bremsen, schaffte gleich 26 'Warmlauftouren'. Generalstabsmäßig plante Pulz auch die neun Tagestouren im September.
Sieben nasse Tage Wenn nicht gerade ein Gewitter an den mindestens sieben nassen Tagen zum Unterstehen zwang, wurden die Zielorte pünktlich erreicht. Der Fellmann Leo, übrigens Vater des Finn-Seglers Michael, war in den Augen der beiden anderen 'der geschickte Fußblasen-Chirurg'. Und weil damals mit gerade mal 26 Lenzen der Jüngste, entlastete er schon mal seine Kameraden beim Rucksackschleppen. Technische Hilfen wie Bus oder Bergbahn lehnten die drei Fernwanderer ab. Zudem mussten sie ein Handicap umgehen: Am Timmelsjoch gab’s damals - wohl wegen der politischen Unruhen in Südtirol - keinen offiziellen Grenzübergang. Also ging’s im weiten östlichen Bogen über Axams, den Brenner - wo der italienische Zoll die Rucksäcke der drei buchstäblich unter die Lupe nahm - und Sterzing dem Ziel entgegen. Beschwerlichen Tagestouren folgten laut Tagebuch auch fröhliche Tee-, Bier- und Obstlerabende. Auf der Maldon-Alm Imst entdeckten die drei Allgäuer, laut Tagebuch, 'die modernste Sennerin Tirols - eine junge Dame im Super-Mini-Rock und mit lackierten Fingernägeln.' Das Trio musste sich aber zuvor in Vorderhornbach grün und blau ärgern: Offenbar wegen ihrer schmutzigen Schuhe waren alle Quartiere schon belegt (Monate später entschuldigte sich der Bürgermeister für seine Mitbürger. Die Krönung des Marsches war der triumphale Empfang, der die konditionsstarken Wanderer im Dorf Tirol erwartete. Die Bevölkerung war durch die Zeitung auf die Wanderer aufmerksam geworden. Eine große Menschenmenge erwartete sie am Dorfeingang. Vor allem die Augen von Hermann Kuen blitzten, als das Trio von der Musikkapelle mit Marschmusik empfangen wurde. Gewaltige Festtafeln wurden zu Ehren der Allgäuer gedeckt: Tiroler Speck lockte und der Rotwein strömte reichlich. Auch bekannte Kemptener dieser Zeit wie Stadtrat Adolf Schmid und Kunstmaler Libor Strauß saßen an den Tischen. Viele Freundschaften sind aus diesem Ereignis erwachsen, etwa die des großen Allgäuer Blasmusikers Hermann Kuen mit dem (damaligen) Obmann der Musikkapelle Dorf Tirol. Wie dieser heißt? Auch Hermann Kuen.