Kempten (sh). - 'Wenn das Dachgeschoss kommt, sitzen wir im Dunkeln. Menschenwürdiges Wohnen ist dann nicht mehr möglich.' Franz Völkl ist - wie er sagt - fassungslos. Der Grund: Das Nachbarhaus, das lückenlos an sein Haus in der Lorenzstraße angegrenzt, soll um ein Dachgeschoss erweitert werden. Rechtlich sei das kein Problem, stellte der Bauausschuss fest und gab daher grünes Licht. 'Uns wird eine Fenster-Tür, die bisher auf das Flachdach des Nebenhauses führte, zugemauert und wir verlieren die Hauptlichtquelle für zwei Zimmer', beklagt dagegen Völkl. Es war ein Nachbarschaftsverhältnis mit einer besonderen Konstellation, die am Dienstag im Bauausschuss auf den Tisch kam. Denn Franz Völkl hatte sein Haus vor einigen Jahren von Nikolaus Immler gekauft, mit dem er heute wegen der Errichtung eines weiteren Geschosses im Clinch liegt. Aber zunächst zum Anfang der Geschichte, die 1996 in der Stiftsstadt beginnt. Franz Völkl kauft mit seiner Familie für umgerechnet etwa 230 000 Euro das Haus in der Lorenzstraße. Verkäufer ist Nikolaus Immler. 'Er hat uns nie gesagt, dass er sein Gebäude aufstocken will. Sonst hätten wir das Haus ja nie gekauft', sagt Völkl heute. Nikolaus Immler sieht das ganz anders und legt der AZ einen Brief vor, den Völkl verfasst hat. Darin heißt es: ' anlässlich unseres Kaufgesprächs, sagte uns Herr Immler bezüglich des Flachdachs, dieses müsse schon mal erneuert werden, vielleicht auch mit anderem Neigungswinkel'Immler wertet dies als klaren Beweis, dass die fünfköpfige Familie schon damals über seine Pläne für eine Veränderung der Dachform informiert gewesen sei. 'Natürlich ist das schlimm, wenn man das Fenster zugemauert bekommt', gibt Immler zu. Doch zum einen könne von 'im Dunkeln sitzen nicht die Rede sein, weil das Haus insgesamt 24 Fenster hat' und zum anderen habe sich sein Nachbar nie kompromissbereit gezeigt. Schließlich habe er zunächst eine Planung vorgelegt, die eine Aussparung der Fenstertür vorgesehen hätte. 'Aber darauf wollte er nicht eingehen', meint Immler. Die Folge sei, dass nun 'ein Raum mit zehn Quadratmetern beeinträchtigt wird, weil das größere von zwei Fenstern wegfällt.'
Wie bei siamesischen Zwillingen Im Januar hatte der Antragsteller den ersten Anlauf für eine Aufstockung seines Hauses unternommen. Während diese Planung nicht den Segen der Stadt erhielt, gingen die neuen Pläne gegen die Stimme von SPD-Stadträtin Ingrid Jähnig durch. Denn 'da von öffentlich-rechtlicher Seite nichts gegen die Aufstockung spricht, hat der Hausbesitzer einen Anspruch auf die Genehmigung', machte OB Dr. Ulrich Netzer deutlich. 'Aber bei diesen beiden Häusern ist das wie bei siamesischen Zwillingen', wollte sich dem Stadträtin Jähnig nicht anschließen. Sie bedauerte, 'dass da einer sein Haus auf Kosten des anderen verbessert.'Auch CSU-Stadtratskollege Erwin Hagenmaier hätte, 'gerne abgelehnt'. Doch, so gab er zu bedenken, 'wir müssen Schaden von der Stadt abwenden - und dem werden wir nicht gerecht, wenn wir einen Beschluss machen, der dann von einem Gericht gekippt wird.' So ging der Antrag durch.