Kempten(lg). - Schon 'mal im Allgäu im gemütlichen 'Stüberl' gesessen und 'Würstl' gegessen? Oder gar 'Fleischpflanzerl' mit einem 'Stamperl' Schnaps heruntergespült? Solche 'Schmankerl' wollen dem Sprachforscher Dr. Manfred Renn so gar nicht schmecken. Renn beschäftigt sich seit Jahren mit den Allgäuer Dialekten und ärgert sich über die 'Verbaierung' der Sprache in der Region. Denn solche Begriffe wie auch die mittlerweile häufig benutzte 'Alm', sagt Renn, existieren im Allgäuer Raum schlicht nicht. Den Allgäuer Dialekt an sich gibt es allerdings auch nicht, erklärt Dr. Manfred Renn. Vielmehr sind im Allgäu eine Reihe zum Teil ganz unterschiedlicher Mundart-Variationen zu hören. Getrennt wird die Region zunächst einmal in eine Schwäbische und eine Alemannische Seite, man könnte auch sagen: durchschnitten von der 'Wiib-Weib-Linie'. Alemannen sind demnach die Westallgäuer einschließlich dem Umland von Wangen und Isny sowie die Oberallgäuer südlich von Immenstadt, Schwaben sind alle anderen. Wenn nun also ein Allgäuer - egal ob von hüben oder drüben der 'Wiib-Weib-Linie' -so vor sich hin schwätzt, tut er dies stets - und es mag ihm gar nicht bewusst sein - nach ganz bestimmten Regeln. Ein Einwohner des südlichen oder westlichen Allgäus hat sich die 'alten hohen Langvokale', zum Beispiel ein langes ü, als einfachen Vokal erhalten. Beim schwäbischen Allgäuer hingegen ist der Langvokal zum Doppellaut geworden. Ein Beispiel: Wenn's regnet, 'bliibet' die Alemannen im 'Hüüs', die Schwaben 'bleibet' in 'ihre Heiser'. Umgekehrt verhält es sich, wenn es schneit: Dann kommt im Ostallgäu und im oberen Illertal 'Schnäa' vom Himmel (sprachwissenschaftlich wurde der alte Langvokal e zum Doppellaut äa). Im Westallgäu und im Bereich Kempten-Memmingen fällt jedoch 'Schnee'. Wer Schnee nicht mag, ist im Ost- und Oberallgäu nach dieser Regel 'bäas', im West- und Unterallgäu ingegen 'bees'.
Walser haben eigene Grenze Besonders markant ist der sprachliche Unterschied laut Renn auch bei den häufig verwendeten Kurzverben für gehen, stehen, lassen oder haben. Die Ober- und Westallgäuer sagen 'g&po_140;ng', 'st&po_140;ng', 'l&po_140;ng' und 'h&po_140;ng' (&po_140; gesprochen als 'dumpfer' Laut zwischen a und o). Die Schwaben artikulieren gaun, staun, laun und haun (hochgestelltes 'n': nasale Aussprache des vorausgehenden Vokals). Um Lindau und im angrenzenden Vorarlberg heißt es g&po_140;&po_140;, st&po_140;&po_140; und so weiter. Und im Kleinwalsertal sagt man goo und stoo. Eine Gemeinsamkeit der meisten Allgäuer sind die Endungen vieler Substantive: Handelnde Personen oder auch Geräte, die hochsprachlich auf -er enden, werden mit der Endung -ar versehen. Der Maler ist demnach ein M&po_140;lar, der Hornerschlitten ein Hornar. Ausnahmen dieser Regel gibt es in Kempten und Kaufbeuren. Die einzigen im ganzen Allgäuer Raum, die sich sprachlich deutlich abgrenzen lassen, sind die Kleinwalsertaler, sagt Sprachwissenschaftler Renn. Denn die Walser haben sich ihre Mundart zum Großteil aus ihrer alten Heimat, dem Ober-Wallis, mitgebracht. Die Unterschiede zu anderen österreichischen Nachbarn sind fließend. Die Bewohner des vorderen Bregenzerwaldes sprechen nur geringfügig anders als die Westallgäuer und auch zwischen Pfronten und dem Tannheimer Tal oder zwischen Füssen und dem Tiroler Raum um Vils und Reutte gibt es eine große sprachliche Nähe. Erklärungen für die Allgäuer Sprache gibt es viele mehr. Aber völlig wurscht, ob ein Allgäuer an Woize, an Waize oder an Woaze trinkt - Allgäuerisch bleibt der Vorgang allemal und ein 'verbaiertes' Weißbier kommt damit kuim, koim und kuam ins Glas.