Krugzell (mic).'Der Zirkus ist mein Leben. Da bin ich geboren, da will ich für immer bleiben.' Der zehnjährige Christopher blickt traurig aus der Wohnwagentür ins Freie. Dem Buben, der sonst in der Manege den Clown spielt, ist das Lachen vergangen. Dort, wo gestern noch ein Zirkuszelt in Krugzell stand, sieht es heute wüst aus: Die Plane liegt zerrissen am Boden, Stühle sind zerbrochen, die Zirkusfront ist beschädigt. Die Männer der Familie Bügler - Adolf und Selles - sitzen wie benommen auf zwei Plastikstühlen und blicken auf das Chaos. Wie soll es weitergehen? Wie sollen die vier Erwachsenen, die acht Kinder und die Tierschar ohne Zelt weitermachen? Unausgesprochen schwebt die Frage in der Luft. Eine Antwort weiß niemand.
Ein Sturm aus heiterem Himmel Es war ein Sturm, eine Mini-Windhose, die die Zirkusfamilie Bügler am Morgen in die Existenznot stürzen sollte. Wie aus heiterem Himmel brach plötzlich ein Sturm über der Wiese los. Der 17-jährige Simon wollte ins Zelt laufen, um zu retten, was zu retten ist. Jeanette Bügler hielt ihn in letzter Sekunde auf. Und schon hob der Sturm die Zeltstangen komplett aus dem Boden, die Halterungen an der Zeltplane rissen, auch der Hauptmast brach in sich zusammen. Wie ein Kartenhaus fiel das zwölf Jahre alte Zelt mit einem Umfang von 16 Metern um.'Ich stand wie angewurzelt da. Was sollten wir machen? Wir konnten nur zuschauen, wie unsere Existenz in sich zusammenstürzt', sagt die 74-jährige Zirkuschefin Adelaide-Miriam Bügler. Sie sitzt in ihrem bieder eingerichteten Zirkuswagen zwischen schwerem Schrank und Holztisch und kann immer noch nicht fassen, was sich da am Morgen zugetragen hat. Bis heute, so erzählt sie, sei ihr Familienunternehmen von Unglücken verschont geblieben. Versichert ist das Zelt nicht. 'Das wäre teurer als unsere Einnahmen', erklärt die 74-Jährige. Außer ihrer kleinen Rente, dem Kindergeld und den Einnahmen aus den Vorstellungen hat die Familie nichts. 'Wir leben von der Hand in den Mund', sagt sie. Mal liegen die Tageseinnahmen bei 80, an guten Tagen bei 200 Euro. Von diesem Geld sind zwölf Menschen sowie Hunde, Ponys, Pferde, Ziegen und Lamas zu ernähren, Platzmieten, Benzin und Reparaturen zu zahlen. Zu allem Unglück ist nicht nur das Zelt eingestürzt, vor drei Tagen ist auch noch die Kopfdichtung der Zugmaschine kaputt gegangen. Schon für diese Reparatur fehlt es am Geld, an ein neues Zelt ist gar nicht zu denken. Und an eine Reparatur? 'Dafür ist es schon zu alt, keine Firma wird das machen', mutmaßt Adelaide-Miriam Bügler. Ihre letzte Hoffnung: ein gebrauchtes Zelt. Aber woher bekommen?
Glück im Unglück Und doch hatte die Familie Bügler Glück im Unglück: Normalerweise, erzählt Schwiegertochter Jeanette, trainierten die Kinder am Morgen bereits in der Manege. Ob es Zufall war oder sie spürten, dass etwas nicht stimmte, weiß die sechsfache Mutter nicht: Alle Kinder befanden sich ausnahmsweise noch in den Wagen. 'Wenn ihnen etwas geschehen wäre, ich weiß nicht, was ich gemacht hätte. Meine Kinder sind mein Heiligtum', sagt die 37-jährige Mutter und schüttelt noch immer fassungslos den Kopf. Die Jüngste ist ein Jahr alt, Janettes ältester Sohn ist zehn. Zudem touren zwei Neffen mit. Alle Kinder sind im Zirkus aufgewachsen, schon die kleine vierjährige Angel zeigt akrobatische Kunststücke in der Manege. In der sechsten Generation besteht das kleine Unternehmen, ursprünglich stammt die Zirkusdynastie aus Alsenborn bei Kaiserslautern, die Vorfahren zogen als Gaukler durch die Pfalz. Einen festen Wohnsitz hat die Familie Bügler heute nicht mehr, auch im Winter lebt sie in Wohnwagen. Das ist nicht immer einfach. Aber ein Leben außerhalb des Zirkus? Das kann sich keines der Kinder vorstellen. 'Zirkus ist Freiheit, immer wieder sind wir an neuen Orten, wir haben keine Vorgesetzten', sagt der 17-jährige Simon. Was den Büglers nun vor allem Halt gibt, ist die Familie. Auch wenn sie nicht wissen, wie und wann sie wieder zur Zirkusvorstellung einladen können, wollen sie eines unter keinen Umständen: aufgeben. i Wer dem kleinen Zirkusunternehmen der Familie Bügler helfen will, kann es erreichen unter Telefon 0160/2476979.