Schwangau (oss). - Mit einem so genannten Totholzrechen wird die Pöllat gegen das nächste Jahrhundert-Hochwasser ertüchtigt. Rund eine viertel Million Euro verbaut das Wasserwirtschaftsamt im kleinen Wildbach oberhalb der Marienbrücke bei Schloss Neuschwanstein. Herzstück der Anlage sind 21 bis zu viereinhalb Meter große Stahlpfähle mit einem Durchmesser von über einem halben Meter. Naturschützer kritisieren die 'exponierte Lage' des Rechens. Auch wurden die Naturschutzverbände im Vorfeld nicht informiert. Beim Pfingst-Hochwasser 1999 waren der Steg in der Pöllatschlucht und die Brücke über die B17 bei der Colomankirche durch Totholz beschädigt worden. Die Wassermassen hatten es im gut 16 Kilometer langen Oberlauf der Pöllat mitgerissen, das Totholz hatte dann die Brücke verklaust, so die Ansicht im Wasserwirtschaftsamt. Dabei hatten sich die Baumstämme verklemmt und das sich stauende Wasser die Brücke angehoben.
30 Meter breites Bauwerk Damals begannen die Planungen für das etwa 4,5 Meter hohe und gut 30 Meter breite Bauwerk, das mit einer etwa 15 Meter breiten Sohle aus betonierten Flussbausteinen abschließt. Jeder einzelne Zahn gründet in etwa viereinhalb Meter Tiefe in einem Betonsockel. 'Wir mussten in der Vergangenheit falsch dimensionierte Bauwerke teuer umbauen' erklärt Flussmeister Meier vom Wasserwirtschaftsamt die Größe des Sperrwerkes, durch das ein 10000 Kubikmeter großer Rückstauraum im Oberstrom der Pöllat entsteht. So jedenfalls sehen es die Berechnungen und Versuche vor, die an der Technischen Universität gelaufen sind. Totholz und Gestein, das die Wassermassen mit sich reißen, sollen schon vor der Schlucht abgefangen werden, um so ein Verklausen zu verhindern. Kritik an dem Bauwerk wurde allerdings bereits laut. So fragte Roman Seider vom Bund Naturschutz in Schwangau nach, warum dieses Projekt öffentlich nicht diskutiert wurde. Vor allem interessierte ihn auch, warum an so exponierter Stelle und nicht flussabwärts gebaut wurde, wenn es doch nur um den Schutz der B17-Brücke gehen sollte.
In Sichtachse der Marienbrücke Ein Umstand, den auch Dr. Hans Ehrhardt nicht nachvollziehen kann. Ehrhardt, der Mitglied im Naturschutzbeirat der Regierung von Schwaben ist, die in diesem Fall die Befreiungsgenehmigung für das Bauvorhaben im Naturschutzgebiet erteilen musste, war von der Existenz des Bauwerkes völlig überrascht. Inzwischen fragte er bei der Regierung nach, warum die Naturschutzverbände nicht im Vorfeld zum Projekt gehört wurden. Auch kritisiert Ehrhardt, dass dieses Bauwerk in der Sichtachse der Marienbrücke liegt und somit für die Gäste von Schloss Neuschwanstein deutlich zu sehen ist. Für den Naturschützer stellt die Pöllat in diesem Bereich einen kostbaren Wildbach mit natürlicher Fließdynamik dar, der in jedem Fall als erhaltenswert anzusehen ist. Der technische Ausbau im Naturschutzgebiet Ammergebirge hätte vermieden werden können, glaubt Ehrhardt: Denn der Wildholzrechen hätte auch außerhalb des Naturschutzgebietes an einem bereits ausgebauten Bachabschnitt der Pöllat errichtet werden können, also noch vor den 'schützenswerten' Straßenbrücken. Dann wäre auch Totholz, das von den Einhängen der Pöllatschlucht unterhalb des jetzigen Rechen-Standortes stammt, abgefangen worden, so Erhard. Dies sei nun nicht der Fall. Mit der jetzigen Lösung sei nicht auszuschließen, dass die Pöllat im Schluchtbereich und an den Brücken wieder verklausen könnte. Dazu genüge nämlich ein einziger falsch liegender Baumstamm. Wortweiser Totholz Unter Tot- oder Wildholz ist jegliches abgestorbene, stehende oder liegende Holz zu verstehen. Im Ökosystem Wald eine wertvolle Besiedelungsgrundlage für Organismen aller Art entwickelt es sich für den Wasserbauer zum Problemfall. Im Zusammenspiel mit Geröll und rutschenden Erdmassen verkeilen die Stämme schnell und blockieren so Bauwerke wie Brücken oder Staustufen.