Das Reh von der Eich ist tot. Das Tier war gestern Vormittag über den Iller-Wanderweg Richtung Innenstadt bis in die Kotterner Straße gelaufen. Nachdem Polizisten vergebens versucht hatten, den Rehbock einzufangen, riefen sie den zuständigen Jäger herbei, der das Tier erschoss. "Die Kollegen mussten schweren Herzens den Abschuss anordnen, weil die Gefahr bestand, dass das Tier auf die Straße springt", verteidigt Polizeisprecher Sven-Oliver Klinke die Entscheidung.
Wie berichtet hatte das kaum einjährige Kitz in der Eich für Aufsehen gesorgt, weil es so zutraulich war. Vermutlich war es über den Winter von Menschenhand gefüttert worden und lief auch nicht weg, wenn sich Hundebesitzer mit ihren Vierbeinern ihm näherten.
Unter den Bürgern sorgte der Abschuss gestern für große Aufregung. "Das ist doch furchtbar. Wie kann man so was nur tun", entsetzte sich Käthe Ruf. Die 71-Jährige hatte aus ihrer Wohnung im vierten Stock gesehen, wie das Kitz gegen 9 Uhr von der Illerseite her in den Grünstreifen zwischen den Hochhäusern an der Ecke Keselstraße und der Kotterner Straße trottete. Kurze Zeit später sei eine Polizeistreife gekommen und habe versucht, das Tier mit einer Schlinge einzufangen. Zwar sei das zutrauliche Rehkitz nicht davongelaufen, "aber sie haben es auch nicht geschafft, es zu fangen", erzählt Ruf.
"Die Kollegen haben wirklich alles probiert, aber das Reh wurde immer unruhiger und versuchte, auf die angrenzende Kotterner Straße zu springen", sagt Polizeisprecher Klinke. Deshalb hätten die Beamten keine andere Wahl gehabt, als den Abschuss anzuordnen. Klinke: "Das war eine Frage der Abwägung. Schließlich hätten auch Menschen zu Schaden kommen können - und dann wäre die Empörung sicher noch größer."
Die war gestern schon groß genug. "Der Jäger musste sich furchtbare Beschimpfungen anhören", bestätigt Manfred Werne, Vorsitzender des Kreisjagdverbands: "Mörder" und weitere Schimpfwörter. "Der Mann ist fix und fertig", so Werne. Dabei habe er nur auf Anweisung der Polizei gehandelt. Wäre es nicht möglich gewesen, das Tier mit einem Narkosegewehr zu betäuben? Dafür, so glaubt Werne, habe wohl die Zeit gefehlt.
Ein solches Gewehr würden nur Tierärzte besitzen und auch nur sie dürften es anwenden. Schließlich müsse die Dosierung der Betäubung stimmen. "Außerdem ist dann die Gefahr noch größer, dass das Tier durch den Narkose-Pfeil in Panik gerät und davonspringt - mitten in der Stadt."