von Alexandra Decker | Durach. Reinhard Leveringhaus hatte bereits mit seinem Leben abgeschlossen. Und noch jetzt kann der 65-Jährige sein Glück kaum fassen. Am Sonntag waren der Hobbypilot und seine drei Jahre jüngere Frau beim Landeanflug auf den Flugplatz im Oberallgäuer Durach mit dem Fahrwerk ihrer Maschine in einer Hochspannungsleitung hängen geblieben (wir berichteten). Rund zwei Stunden lang baumelte das Sportflugzeug kopfüber in etwa 20 Metern Höhe an den Kabeln, bis die Rettungskräfte das Ehepaar unverletzt befreien konnten.
Gestern berichtete Leveringhaus von dem dramatischen Unfall. 'Die psychische Belastung ist enorm gewesen. Aber es geht uns gut', sagt der Ostallgäuer. 'Ich fliege seit 32 Jahren und schon bei der Ausbildung lernt man, cool zu bleiben. Das hat mir sehr geholfen.' Seine Frau habe es mehr mitgenommen. Er habe ihr die Hand gehalten und ihr gesagt, dass er sie liebe. Der ständige Funk- und Blickkontakt zu den Rettern habe beide außerdem sehr beruhigt. Es hat sogar geholfen, sich über die 'Idiotie der Neugierigen aufzuregen, die sich ständig in den Funkverkehr eingeschaltet haben', erinnert sich Leveringhaus.
Wie viele Schutzengel ihm jedoch tatsächlich beigestanden haben, erfuhr der Rentner erst später. Denn nicht nur einem Absturz entging das Ehepaar. Die Leitung, in der das Flugzeug hängen blieb, führte zudem keinen Strom (siehe Text unten). 'Ich habe gestern ein Leben gewonnen', betont Leveringhaus. 'So viel Glück hat man nicht zweimal.' Deshalb zieht er aus dem Unfall eine für ihn 'schmerzhafte' Konsequenz: 'Es ist nicht leicht. Aber das war mein letzter Flug'.
Wie es genau zu der Kollision kam, überprüft derzeit die Polizei Kempten. Da die Ermittlungen aber erst angelaufen seien, gab es gestern keine neuen Erkenntnisse - und die Konsequenzen sind ebenfalls unklar. Leveringhaus selbst sagt, er habe die Flughöhe der Maschine nicht mehr halten können, nachdem sie über einem Grat in Auf- und Fallwinde geraten sei. Rote Ballons auf Masten und Leitungen könnten solche Unfälle vielleicht verhindern, schlägt er vor. Polizeisprecher Edmund Martin pflichtet dem Piloten bei. Warum es die nicht längst gibt? 'Sie sind sehr teuer und keiner wollte sie bezahlen. Dem Flugplatz allein fehlt dafür das Geld', sagt Flugleiterin Brigitte Waldmann.
Einen solchen Unfall habe es in Kempten aber auch noch nie gegeben. 'Solche Zusammenstöße sind sehr selten', heißt es ebenfalls bei der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung. Für Leveringhaus stehen das Warum und Weshalb derzeit aber ohnehin nicht an erster Stelle. Für ihn ist das Wichtigste, 'dass wir noch leben'. Weitere Bilder vom Unglück finden Sie hier.